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Mittwoch, 11. Februar 2015

Entbindern und Sintern pulvermetallurgischer Bauteile im Chargenbetrieb

Autor: Dr. Olaf Irretier, Industrieberatung für Wärmebehandlungstechnik IBW Dr. Irretier
(Kurzfassung)

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Das Charakteristikum der Pulvermetallurgie ist die Tatsache, daß ein Metallpulver in einer Preßform verdichtet und anschließend einer Wärmebehandlung, dem sogenannten Sintern, unterzogen wird. Die Sintertemperatur liegt üblicherweise unterhalb der Schmelztemperatur der metallischen Hauptkomponente.

Großindustriell wird das Sintern in der Regel in Durchlauföfen durchgeführt. In Lohnbetrieben und Härtereien werden PM-Bauteile aufgrund der höheren Flexibilität jedoch überwiegend im Chargenbetrieb behandelt. Der vorliegende Beitrag gibt einen Einblick in die Entbinder- und Sintertechnik pulvermetallurgischer Bauteile und stellt eine Reihe von Öfen und Anlagen für den Chargenbetrieb vor.

1.      Einführung

Die Herstellung moderner pulvermetallurgisch erzeugter Bauteile geht bis weit in das vorherige Jahrhundert zurück. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden in Rußland Platinmünzen pulvermetallurgisch hergestellt. Wolframdrähte für Glühlampen, die um die Jahrhundertwende pulvermetallurgisch hergestellt wurden, stellten damals einen großen technischen Fortschritt dar. Hartmetalle auf Wolframkarbidbasis wurden in den 20er Jahren gesintert und wegen ihrer den Keramiken ähnlichen Herstellungsweise lange als Metallkeramiken bezeichnet. Große Fortschritte erlebte die Pulvermetallurgie vor allem wieder in den 70er Jahren als das Pulverschmieden und Heißisostatische Pressen Verbreitung fand. Auch wurden Mitte der 70er Jahre erstmals Schnellarbeitsstähle pulvermetallurgisch hergestellt [1]. Die 80er Jahren haben vor allem dem Metallpulverspritzguß (MIM) zum Durchbruch verholfen.

Heute sind PM-Bauteile aus der modernen Technik nicht mehr wegzudenken. Mit Hilfe der Pulvermetallurgie können Werkstoffe erzeugt werden, die schmelzmetallurgisch nicht zu erreichen sind. Die Vorteile liegen insbesondere in der geringen Anzahl an Gefügeeinschlüssen und -texturen und in der verbesserten Gefügehomogenität. Entwicklungen in Richtung höherer Bauteilkomplexität wie beim Metallpulverpritzguß, machen die Pulvermetallurgie zum Wettbewerber des Gießens.

2.      Werkstoffe und Bauteile der Pulvermetallurgie

Die Einsatzgebiete pulvermetallurgisch erzeugter Bauteile erstrecken sich durch die gesamte Technik. Herauszuheben sind vor allem Anwendungen im Fahrzeugbau, in Haushalts- und Elektrogeräten, im Maschinenbau und in Büromaschinen. PM-Teile werden auch aufgrund ihrer porösen Struktur als Filter zum Trennen von Flüssigkeiten oder als Drossel für Strömungen eingesetzt. Als Gleitlager, Ventilringe oder Nocken finden sie im Motorenbau Einsatz. Zahnräder, Schaltgabeln und Synchronringe werden als PM-Teile im Getriebe eingesetzt. Tellerräder und Kupplungen finden in Elektrowerkzeugen Verwendung.
Stähle, die mit Cu, Ni, Mo, P und C legiert sind, finden als pulvermetallurgische Werkstoffe die breiteste technische Anwendung. Als Nichteisenwerkstoffe haben sich vor allem Bronzen, Kupfer- und Messing in der PM bewährt. Al-PM-Bauteile werden in der Regel mit CuMg und SiMg legiert.

3.      Sintern von PM-Bauteilen

Sintern ist eine Wärmebehandlungsform, die unterhalb des Schmelzpunktes des Matrixwerkstoffes durchgeführt wird. Beim Sintern wachsen die Pulverpartikeln durch Diffusion und Kriechvorgänge zu einem Gerüst von Kristallen zusammen und geben dem Preßkörper seine gewünschte Bauteilfestigkeit.

Zum Sintern von PM-Stählen werden Temperaturen zwischen 1100 und 1250 °C gewählt. Nichteisenmetalle, wie Sinterbronze, -messing oder –aluminium werden aufgrund des niedrigeren Schmelzpunktes bei deutlich tieferen Temperaturen gesintert.

Bei Sintertemperaturen oberhalb des Schmelzpunktes spricht man von Flüssigphasensinterung. Bei bestimmten Stählen (Schnellarbeitsstähle) wird bei genauer Temperaturführung die Flüssigphase über längere Zeit aufrechterhalten. Dadurch kommt es zu einer Umlagerung und zu einer weiteren Verdichtung des Gefüges. Beim Flüssigphasensintern ist darauf zu achten, daß durch die große Schwindung kein Verzug der Preßteile auftritt.

Zum Erreichen einer Dichte bei Stählen von 7,3 bis 7,6 g/cm³ werden Teile oftmals zweifachgesintert. Bei Temperatur zwischen 800 und 900°C findet zunächst ein Vorsintern statt. Dabei werden die für ein anschließendes Zwischenpressen störenden Kaltverfestigungen abgebaut. Abschließend werden die Teile fertiggesintert.

3.1    Entbindern und Sintern bis 750°C

Gasdichte Wärmebehandlungsanlagen mit Umluftbetrieb und Schutzgasspülung werden eingesetzt, um ein oxidations- und entkohlungsfreies Entbindern und Sintern von Bauteilen zu ermöglichen. Zum Schutz gegen Oberflächenreaktionen werden inerte Gasen wie Stickstoff und Argon oder reduzierende Gase eingesetzt, wenn eine Entkohlung des Stahles vermieden werden soll.

Schutzgas-Luftumwälzöfen können als Mehrzweckanlagen für eine Vielzahl von Wärmebehandlungen bis 750 °C eingesetzt werden. So können nicht nur Bronzeteile bei diesen Temperaturen entbindert und gesintert werden, sondern auch PM-Stähle und Nichteisenwerkstoffe einer Glüh- und Anlassbehandlung nach dem Härten unterzogen werden.

Größere PM-Chargen werden vielfach in Schachtöfen mit hydraulischer Hubeinrichtung unter Schutzgas entbindert oder gesintert. Schachtofen weisen aufgrund ihrer Geometrie eine sehr gute Temperaturverteilung von besser ± 3°C auf. Eine optimale Luftumwälzung ist in der gasdichten Retorte des Schachtofens durch einen Luftleitzylinder garantiert.

Für Entbinderungsprozesse bei Temperaturen bis 700°C können diese Öfen mit einer speziellen Abgasreinigungsanlage ausgestattet werden. Die bei solchen Prozessen auftretenden Kohlenwasserstoffe (PVA, PEG, Polyglycol, Glycerin, etc.) werden in einem Katalysator thermisch in Kohlendioxid und Wasser zersetzt. Dem Katalysator ist ein Kondensators vorgeschaltet, der zu einer Verflüssigung und Separation der hochsiedenden Komponenten im Abgasstrom führt.
3.2    Vakuum- und Schutzgassintern bis 1200°C

Das Sintern unlegierter Eisenwerkstoffe und Nichtmetallsinterwerkstoffe wie Messing und Aluminium wird unter Vakuum- oder Schutzgasbedingungen bis 850°C durchgeführt. Aufgrund der relativ hohen Investitionskosten ist die Vakuum-Sintertechnik nur für große Betriebe mit großen Fertigungsstückzahlen interessant. Der vakuumdichte Ofen in Bild 5 bietet Betrieben und Forschungsinstituten mit kleinem und mittlerem Volumen eine Möglichkeit PM-Bauteile kostengünstig im Vakuum oder unter Schutzgas zu sintern. Mit Hilfe einer verfahrbaren Kammer können die Bauteile nach dem Sintern unter Schutzgaszufuhr aus dem Ofen herausgefahren und schnellstmöglich abgekühlt werden.

Zum Sintern von Legierungen bis 1200 °C werden auch vielfach Haubenöfen eingesetzt, die einen Betrieb von Hochvakuum bis Atmosphärendruck erlauben. Die Beschickung des in Bild 6 dargestellten Ofens kann über die absenkbare Bodenplatte realisiert werden. Durch Senken des Bodens, ist außerdem eine schnelle Abkühlung zum Chargenwechsel möglich. Die Temperaturverteilung innerhalb des Nutzraumes kann mit vertretbarem Aufwand bis zu ± 1 K zu erreichen.

3.3    Vakuum- und Schutzgassintern bis 1600°C

Das Sintern von Hartmetallen als Schneidwerkstoffe bei Temperaturen zwischen 1400 bis 1600°C ermöglicht der doppelwandige Ofen in Bild 7, der für den Hochvakuumbetrieb mit Molybdän-Heizelementen und einer Molybdän-Strahlblechisolierung ausgeführt ist. Der Ofen ist mit Sicherheitseinrichtungen wie Türverriegelung über Magnetschalter, Wasserdurchfluß- und Temperaturüberwachung, Drucküberwachung und Alarmabschaltung ausgestattet.

3.4    Vakuum- und Schutzgassintern bis 3000°C

Hauben- oder Kammeröfen mit Graphitheizung und –isolierung können unter Schutzgas bis 3000°C zum Sintern hochschmelzender Metalle (z.B. Molybdän, Wolfram) und Keramiken eingesetzt werden. Der in Bild 8 dargestellte Ofen wird zum Sintern nitridischer Bauteile bei Temperaturen bis 2400 °C verwandt. Beim Aufheizen auf Prozeßtemperatur werden organische Restbinder aus den Bauteilen ausgetrieben, die in einer dafür vorgesehenen Kühlfalle vor dem Gasausgang kondensiert werden. Die Anlage ist bis zu einem Druck von 10-4 mbar ausgelegt.

3.5    Drucksintern bis 2200°C

Zum Drucksintern hochschmelzender Metalle (z.B. Molybdän) oder Nitride bis 2200°C werden Kammeröfen mit Graphiteinbauten eingesetzt. Das bei hohen Temperaturen instabile Siliziumnitrid kann bei erhöhten Drücken und Temperaturen von 1750 bis 1780 °C gesintert werden. Der in Bild 9 dargestellte Drucksinterofen für den Laborbetrieb erfüllt diese Spezifikation. Er kann unter Vakuum bis 1800°C und unter Argon bis 2200°C betrieben werden und ist für einen Bereich von 0,1 bar bis 40 bar ausgelegt.

3.7    Katalytisches Entbindern und Sintern von MIM-Bauteilen

Ziel der MIM-Technik ist die Herstellung endformnaher komplexer Bauteile. Der MIM-Spritzguß verbindet dabei die Formgebungsmöglichkeiten des Kunststoffspritzguß mit denen der Pulvermetallurgie. Beim Metallpulverspritzguß (MIM) wird ein Metallpulver mit einem Binder zu einer homogenen Mischung verarbeitet und verspritzt. Der Binder hat nach dem Spritzgießen seine Aufgabe erfüllt und wird während der Entbinderung entfernt. Die Festigkeit erhalten die Bauteile in einem abschließenden Sinterprozeß.

Bei der katalytischen Entbinderung wird gasförmige Salpetersäure, HNO3, als Katalysator dem Trägergas Stickstoff beigemengt. Durch den Katalysator werden die langkettigen Bindermoleküle leichter aufgespalten, die direkt in den gasförmigen Zustand übergehen und mit dem Trägergas ausgetragen werden. Die katalytische Entbinderung läuft bis zu zwanzig mal schneller ab als konventionelle thermische Entbinderungen. Im anschließenden Sinterprozeß wird das Bauteil unter neutraler bzw. reduzierender Ofenatmosphäre zu einem kompakten metallischen Bauteil verdichtet. Durch Verwendung von Wasserstoff während des Sintervorganges, werden die Bauteile vom Kohlenstoff befreit [5].

Für die katalytische Entbinderung ist eine spezielle Anlagentechnik nötig. Um eine zündfähige Atmosphäre zu vermeiden wird der Ofen während des Aufheizens mit Stickstoff gespült. Bei Erreichen der Prozeßtemperatur, wird der Katalysator zudosiert. Katalytische Entbinderungen werden bei konstanter Temperatur durchgeführt. Das Abgas wird in einer Fackel mit Luftüberschuß verbrannt. (Bild 11).

4.      Glühen und Härten von PM-Teilen

In gleicher Weise wie das Glühen und Härten von Stählen und Gußbauteilen der Verbesserung der Festigkeitseigenschaften dient, können auch pulvermetallurgisch erzeugte Bauteile diesen Wärmebehandlungen unterzogen werden. Zur Verbesserung der Festigkeitseigenschaften werden PM-Stähle in der Regel einsatzgehärtet bzw. carbonitriert (siehe Bild 12). Die Aufkohlungstemperaturen liegen zwischen 800 und 900°C. Bei diesen Wärmebehandlungsverfahren gilt es jedoch die eingeschlossenen Poren zu berücksichtigen. So können sowohl die Wärmebehandlungsgase als auch deren Zersetzungsprodukte über die “innere” Oberfläche (Poren) in das Bauteil eindringen. Geschlossene, nicht zur Oberfläche geöffnete Poren sind dabei unwirksam.

Verunreinigungen (Rückstände aus Bearbeitungshilfsstoffen, Reinigern, Kalibrieröl, etc) aus vorrangegangenen Arbeitsschritten bei der Herstellung von PM-Bauteilen können für eine Wärmebehandlung störend wirken. Durch Verdampfen dieser Verunreinigungen unter Wärmebehandlungsbedingungen kann die Ofenatmosphäre stark beeinflußt werden. Eine der Wärmebehandlung vorgeschobene Reinigung sollte daher gründlich durchgeführt werden.

5.      Zusammenfassung

Die pulvermetallurgische Verarbeitung endformnaher Bauteile mit hoher Oberflächengüte hat gerade in den letzten Jahren einen erheblichen Zuwachs erreicht. Der wirtschaftlichen Fertigung dieser Teile kommt dabei eine besondere Aufmerksamkeit zu. Bei Herstellungsverfahren, die aus eben wirtschaftlichen Gründen ohne Nachverdichten arbeiten, stellt das Entbindern- und Sintern den abschließenden Verfahrensschritt dar und muß nicht zuletzt aus diesem Grund mit hoher Präzision durchgeführt werden.
Sowohl für die Entbinder- und Sintertechnik als auch für das Glühen und Härten pulvermetallurgischer Teile stellen die Unternehmen Nabertherm und Gero Hochtemperaturöfen eine Vielzahl an Ofen- und Anlagenkonzepten für den Chargenbetrieb zur Verfügung.

6.      Literatur

[1]        H. Silbereisen:
Zur Geschichte der Sinterstahlfertigung in Deutschland
PMI 16 (1984), S. 65-69 und S. 138-144

[2]        O. Irretier, et. al:
Wirtschaftlichkeit erhöhen beim Metallspritzen

Maschinenmarkt 103 (1997)44, S. 48-51
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