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Samstag, 7. Februar 2015

Innovative Wärmebehandlungsverfahren und Anwendungsbereiche

Autor: Dr.-Ing. Olaf Irretier, Industrieberatung für Wärmebehandlungstechnik IBW Dr. Irretier
Vortrag vom 11.02.2010 im ETP Hannover



1. Einführung

Zur Klärung der Frage „was innovative Wärmebehandlungsverfahren sind“, mag zunächst einmal die Bestimmung des Begriffes im Fordergrund stehen: Die Wärmebehandlung beinhaltet ein zeitlich begrenztes Erwärmen von metallischen Werkstücken auf bestimmte Temperaturen, unter Beachtung der Erwärmungs- und Abkühlungsgeschwindigkeiten zur Verbesserung der Werkstoffeigenschaften. Durch Wärmebehandlung erhalten die Bauteile die Eigenschaften wie z.B. Härte, Zähigkeit und Zugfestigkeit, die für ihren späteren Einsatz erforderlich sind [1].

Bei Wärmebehandlungsprozessen sind als Einflussfaktoren Zeit (Erwärmungs- und Haltezeit), Temperatur, Atmosphäre und Abschreckung bzw. Abkühlung von entscheidender Bedeutung. Die Erwärmungszeit ist so festzulegen, dass die Temperatur sehr gleichmäßig im gesamten Bauteil ansteigt und sich entsprechend verteilt, um den Verzug möglichst gering zu halten. Die Haltezeit ist bei einer bestimmten Temperatur so zu wählen, dass die gewünschte Gefügeänderung abläuft, oder Elemente wie Kohlenstoff beim Einsatzhärten bzw. Stickstoff beim Nitrieren eindiffundieren können.

Die Höhe der Temperatur hängt vom Werkstoff und vom gewünschten Wärmebehandlungsergebnis ab. Durch die Auswahl der Atmosphären können während der Wärmebehandlung Verfärbungen und Verzunderungen an den Bauteiloberflächen vermieden werden. Dies geschieht durch die Verwendung von “Schutzgasen” oder dem Einsatz von Vakuum.

Durch die Abschreckung bzw. Abkühlung des Stahls wird eine Veränderung der Gefügestruktur erreicht, um so ein neues hartes Gefüge mit dem Namen “Martensit” zu erzeugen.

In der Wärmebehandlung unterscheidet wird zwischen Verfahren, die eine durchgreifende Gefügeumwandlung bewirken und Verfahren die lediglich eine Umwandlung an der Oberfläche eines Werkstückes bewirken. Zu den erstgenannten Verfahren gehören das Glühen und das Härten, d.h. die thermischen Verfahren. Wärmebehandlungsverfahren, die eine Umwandlung an der Oberfläche zum Ziel haben, zählen zu den Diffusions- und Beschichtungsverfahren bzw. zu den thermochemischen Verfahren. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Wärmbehandlungsverfahren [1]:

Thermische Verfahren Thermochemische Verfahren
Glühverfahren Härteverfahren Diffusionsverfahren Beschichtungsverfahren (PVD, CVD)
Normglühen Weichglühen Spannungsarmglühen Rekristallisationsglühen Grobkronglühen Diffusionsglühen Lösungsglühen Härten Vergüten Randschichthärten Zwischenstufen- vergüten Aufkohlen Einsatzhärten Carbonitrieren Nitrieren Borieren Chromieren Vanadieren Aluminieren Silicieren TIN TIC TICN CrN AI2O3 CrN2 TIB TIALN

Der Begriff „Innovation“, aus dem lateinischen stammend, kann im Sinne von neuen Ideen oder Erfindungen und deren wirtschaftliche Umsetzung übersetzt werden. Die Verfahren der Vakuumwärmebehandlung haben dabei in den letzten Jahren eine besondere Entwicklung genossen und werden im folgenden Beitrag in den Anwendungen und Marktchancen im Detail vorgestellt.

In Kapitel 2 bis 6 werden zunächst die Verfahren vorgestellt, die den überwiegenden Anteil der Wärmebehandlungstechnik ausmachen und die für das Grundverständnis relevant sind.

2.    Thermische Verfahren
2.1   Glühen

Unter Glühen versteht man die Behandlung eines Werkstückes bei einer bestimmten Temperatur, mit einer bestimmten Haltedauer und einer nachfolgend, der Erzielung der angestrebten Werkstoffeigenschaften, angepassten Abkühlung.
Man unterscheidet folgende wichtige Glühverfahren:
  • Normalglühen
  • Spannungsarmglühen
  • Weichglühen
  • GKZ-Glühen
  • Grobkornglühen
  • Diffusionsglühen
  • Rekristallisationsglühen
  • Lösungsglühen
Das Normalglühen wird hauptsächlich nach vorausgegangener Warmumformung von Bauteilen vorgenommen. Das Erwärmen erfolgt auf eine Temperatur etwas oberhalb der Härtetemperatur mit einem anschließenden Abkühlen an ruhender Atmosphäre, um eine gleichmäßige Kornstruktur zu erzielen.

Das Spannungsarmglühen ist ein Glühen bei hinreichend hohen Temperaturen (bei vergüteten Stählen jedoch unterhalb der letzten Anlasstemperatur) mit dem Ziel, die Eigenspannungen ohne wesentliche Änderungen des Gefüges und der mechanischen Eigenschaften zu verringern.

Unter Weichglühen versteht man ein Glühen bei einer Temperatur dicht unterhalb des unteren Umwandlungspunktes mit anschließendem, langsamen Abkühlen, um einen möglichst weichen Zustand zu erzielen.

Das GKZ-Glühen, das Glühen auf kugeligem Zementit, ist auch ein Weichglühvorgang, wobei allerdings durch ein Pendelglühen mit anschließender, langsamer Abkühlung ein möglichst hoher Einformgrad der Karbide erzielt wird. Diese Behandlung ist z.B. für ein nachfolgendes Kaltmassivumformen von großer Bedeutung.

Das Grobkornglühen, auch Hochglühen genannt, findet bei einer Temperatur oberhalb der Härtetemperatur mit einer zweckentsprechenden Abkühlung statt, um ein gröberes Korn (z.B. zur Verbesserung der Zerspanbarkeit) zu erzielen.

Das Diffusionsglühen ist ein Glühen bei sehr hohen Temperaturen im Rekristallisationsgebiet. Ziel ist, z.B. die durch Kaltumformung eingetretenen Eigenschafts- und Gefügeänderungen partiell oder vollständig rückgängig zu machen, ohne dass eine Gefügeumwandlung stattfindet.

Das Lösungsglühen wird vorwiegend bei austenitischen Stählen zum Lösen ausgeschiedener Bestandteile in Mischkristallen und zur Eliminierung von Spannungen bei vorausgegangener Kaltverfestigung durchgeführt.
Die Vorteile des Glühens sind Verbesserung der mechanischen Eigenschaften, Optimierung der mechanischen Bearbeitung (spanlose und spanabhebende), Verbesserung der Gefügezustände zur Kaltumformung, Verringerung der Be- und Verarbeitungsspannung, Wiederherstellung des Ausgangszustandes.

2.2   Härten

Unter Härten versteht man eine Wärmebehandlung bestehend aus Austenitisieren und Abkühlen unter solchen Bedingungen, dass eine Härtezunahme durch mehr oder weniger vollständige Umwandlung des Austenits in der Regel in Martensit erfolgt. Das Austenitisieren ist der Behandlungsschritt, in dem das Werkstück auf Austenitisierungstemperatur gebracht wird und durch vollständige Phasenumwandlung und Carbidauflösung die Matrix des Stahls austenitisch wird. Nach dem Austenitisieren erfolgt das Abkühlen. Damit das gesamte Werkstück ein martensitisches Gefüge annimmt, muss die Geschwindigkeit des Temperatursturzes größer sein als die kritische Abkühlgeschwindigkeit des jeweiligen Stahls. Das Abkühlen kann in verschiedenen Medien erfolgen, die sich charakteristisch durch ihre Abkühlwirkung in den verschiedenen Temperaturbereichen unterscheiden.

Nach dem Härten besteht das Gefüge sogenannter übereutekoider Stähle üblicherweise aus Martensit + Restaustenit + Carbid. Dem Anteil dieser Phasen ist z.B. bei der Wärmebehandlung von Werkzeugstählen große Bedeutung beizumessen, da Eigenschaften wie Verschleißfestigkeit und Maßhaltigkeit vom Gefügezustand nach dem Härten beeinflusst werden.

Im Prinzip ist jeder Stahl mehr oder weniger gut härtbar. Die Härtbarkeit ist entscheidend von der chemischen Zusammensetzung des Stahls abhängig. Unter Härtbarkeit versteht man die Fähigkeit eines Stahls, in der oberflächennahen Zone mehr oder weniger tiefgreifend eine erhöhte Härte anzunehmen. Der Begriff „Härtbarkeit“ beinhaltet die Höhe sowie die Verteilung der Härtezunahme im Werkstück (Einhärtbarkeit).

Das Härten wird angewendet, um Bauteilen und Werkzeugen eine ausreichende Härte und Festigkeit gegenüber mechanischen Beanspruchungen – z.B. statischer oder dynamischer Verformung durch Zug, Druck, Biegung, Verschleiß – zu verleihen.

2.3   Bainitisieren (Zwischenstufenvergüten)

Der übliche Weg zur Erhöhung von Härte bzw. Festigkeit ist das Vergüten. Eine weitere Möglichkeit ist das Bainitisieren, das früher Zwischenstufenvergüten genannt wurde. Bei dieser Wärmebehandlung wird das Bauteil in gleicher Weise wie beim Härten austenitisiert, d.h. es erfolgen abhängig vom Werkstoff Wärmebehandlungen bei Temperaturen von 800 – 1.050°C.

Das Abschrecken erfolgt anschließend im Salzwarmbad bei Temperaturen in Abhängigkeit des Werkstoffs zwischen 250 und 450°C. Das Bauteil verbleibt im Salzbad bei gleichbleibender Temperatur (isotherm), bis die Gefügeumwandlung von Austenit nach Bainit (=Zwischenstufe) abgeschlossen ist. Die Martensitumwandlung findet nicht statt. Je nach Werkstoff kann die Umwandlung in einigen Minuten abgeschlossen sein; manchmal dauert es aber auch mehrere Stunden. Anschließend wird das Bauteil an der Luft abgekühlt und nicht mehr angelassen.

Bainitgefüge haben sehr spezielle Eigenschaften, die durch hohe Festigkeiten (Härten), maximale Zähigkeiten und relativ geringe Verzüge gekennzeichnet sind. Typischerweise werden Bauteile aus Stählen wie C45, C75, C67E, 42CrMo4, 65Cr3, 67SiCr5, aber auch legiertes Gusseisen bainitisiert (ADI Material). Typische Anwendungsbeispiele für das Bainitisieren findet man bei Sicherheitsgurtbeschlägen aus dem Automobilbau, bei Federn, Nägeln und speziellen Messerklingen, aber auch bei Kurbelwellen aus legiertem Gusseisen.

2.4   Kolsterisieren

Kolsterisieren ist ein Oberflächenhärteverfahren für austenitische, rostfreie Edelstähle. Diese Stähle sind für ihre ausgezeichnete Korrosionsbeständigkeit bei atmosphärischen Bedingungen, gegen Wasser und diverse Chemikalien, bekannt. Jedoch ist die Verschleißbeständigkeit und die Härte gering und für viele Anwendungen ungenügend. Die austenitischen, rostfreien Stähle sind mit herkömmlichen Wärmebehandlungsverfahren nicht härtbar. Prozesse wie z.B. Nitrieren und Aufkohlen erhöhen das Verschleißverhalten, vermindern aber die Korrosionsbeständigkeit dieser Stähle durch Chromkarbid- bzw. Chromnitridbildung.

Kolsterisieren bietet die Lösung für austenitische, rostfreie Stähle zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften wie z.B. Verschleißfestigkeit, “Fressen”, ohne dabei die Korrosionsbeständigkeit zu verändern. Die kolsterisierten Produkte überzeugen durch bessere technische Eigenschaften und Wirtschaftlichkeit, da die Lebensdauer entscheidend verlängert wird.

Die Forderungen nach Erhaltung der Korrosionsbeständigkeit sowie Verschleißfestigkeit werden beim Kolsterisieren mittels eines Diffusionsverfahrens bei niedriger Temperatur (< 300°C) erzeugt. Hierbei werden große Mengen Kohlenstoff eindiffundiert. Der Kohlenstoff wird in Zwischengitterplätzen gelöst und bildet keine Carbide. Aufgrund der großen Mengen Kohlenstoff kommt es zu Druckspannungen in der Oberfläche, die eine sehr hohe Oberflächenhärte von > 1000 HV 0,05 erzeugen.
In der Praxis werden 3 Typen von Behandlungen angewandt:
  • Standardbehandlung mit einer Einhärtetiefe von 22µm, für austenitischen, rostfreien Stahl als Verschleißschutz bei adhäsiven Verschleiß und als Schutz vor Fressen.
  • Standardbehandlung mit einer Einhärtetiefe von 33µm, für austenitischen, rostfreien Stahl und Nickelbasis-Legierungen bei höherer Beanspruchung.
  • Duplex-Behandlung für Duplex-rostfreien Edelstahl (z.B. 1.4462) und bei V2A Stählen (z.B. 1.4301)
Das Kolsterisieren ist ein form-, farb- und maßfestes Oberflächenhärteverfahren, mit dem man auch Bohrungen bis zu einer Größe von wenigen Mikrometern gleichmäßig Oberflächenhärten kann. Grundsätzlich kann jeder austenitische, rostfreie Edelstahl kolsterisiert werden. Genauso können auch Nickelbasis-Legierungen wie z.B. Inconel 718 oder Hastelloy C276 und Duplex-Edelstähle behandelt werden. Bevorzugt werden molybdänhaltige Austenite, die nach dem Kolsterisieren eine Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit aufweisen.

3.    Oberflächenhärteverfahren
3.1   Induktiv- und Flammhärten

Unter Randschichthärten versteht man das örtlich begrenzte Erwärmen (Austenitisieren) und Abschrecken der Bauteile. Beim Flammhärten wird die Wärme mit Gasbrennern auf das Werkstück übertragen. Bei der induktiven Erwärmung wird durch mittel- oder hochfrequenten elektrischen Wechselstrom über einen an die zu härtende Kontur angepassten Induktor ein Induktionsstrom im Werkstück erzeugt, wodurch die Wärme entsteht.

Die Härtezunahme erfolgt durch eine Umwandlung der Erwärmungsschicht (beim Abschrecken) in Martensit, die erreichbare Härte ist vom Kohlenstoffgehalt und der Legierungszusammensetzung abhängig. Das Abschrecken erfolgt kontrolliert innerhalb eines werkstoffabhängigen Zeitfensters, meist mit einer synthetischen Polymerlösung mittels Abschreckbrausen, seltener durch Tauchabkühlung. Da die induktive Erwärmung üblicherweise unter Luft (im Sekundenbereich) stattfindet, ist eine dünne Zunderschicht kaum zu vermeiden, deshalb müssen die Teile nach dem Randschichthärten (im Regelfall) mechanisch nachgearbeitet werden. Jedoch sind auch Härtungen unter Schutzgas möglich, um Verzunderungen zu vermeiden.
Fast alle Vergütungsstähle ab einem Kohlenstoffgehalt von > ca. 0,30 %; Gusswerkstoffe sowie hochlegierte Werkstoffe (mit ausreichend freiem Kohlenstoff) lassen sich ebenfalls bedingt Randschichthärten. Eine Abarbeitung der Walzhaut/Gusshaut ist für ein optimales Ergebnis notwendig.

Das Randschichthärten wird angewandt, um der Randschicht von Werkstücken aus Stahl eine höhere Härte zu geben und dadurch bessere mechanische Eigenschaften zu erreichen. Durch die Entstehung einer harten Randzone und einer zähen Kernzone zeichnen sich die randschichtgehärteten Bauteile durch einen erhöhten Verschleißwiderstand, eine erhöhte Biegewechselfestigkeit (im gehärteten Bereich) oder hohe Wälzfestigkeit (bei Zahnrädern und Wälzlagern) aus. Weitere Vorteile speziell des Induktionshärtens sind schnelles und partielles Erwärmen des Werkstückes, hohe Durchsätze, Gleichmäßigkeit des Härteverlaufes und der Härtewerte, hohe Reproduzierbarkeit und Automatisierbarkeit, geringer Verzug und Zunderanfall.

3.2   Laserstrahlhärten

Das Laserstrahlhärten zählt wie das Flamm- und Induktionshärten zu den Randschichthärteverfahren. Viele Werkzeuge und Maschinenkomponenten unterliegen bei ihrem Einsatz erhöhtem Verschleiß.Um eine höhere Verschleißfestigkeit und damit eine höhere Standzeit zu erreichen, werden diese Teile randschichtgehärtet. Bei dem Laserstrahlhärteverfahren wird der Laserstrahl mit einstellbarer Brennfleckgröße mittels einer CNC- gesteuerten Mehrachsenanlage oder eines Roboters über die hochbelasteten Funktionsflächen geführt, die sich dabei über die Austenitisierungstemperatur (Härtetemperatur) erwärmen. Bei der anschließenden Selbstabschreckung durch das kalte, nicht erwärmte Bauteilvolumen härtet das Teil an der entsprechenden Stelle auf.

Während bei großen Werkzeugen und Formen der Umformtechnik (Biege- und Schneidkanten) und der Kunststoffindustrie (Tauch- und Schließkanten) mit mehreren Tonnen Stückgewicht oftmals der wirtschaftliche Aspekt das partielle Härten mit dem Laser favorisiert, stehen bei anderen Bauteilen vor allem die technischen Vorteile im Vordergrund. Getriebe- und Motorenkomponenten mit einem Anforderungsprofil von harten verschleißfesten Oberflächen und zähen Kernen lassen sich beim Laserstrahlhärten ebenso realisieren wie gehärtete Teilbereiche von Turbinenschaufeln.

Durch die lokal begrenzte Wärmebehandlung entsteht nur eine minimale Wärmeeinbringung und entsprechend geringer Verzug. Nacharbeit lässt sich dadurch stark reduzieren oder ganz vermeiden. Hohe Aufheiz- und Abkühlgeschwindigkeit bewirken in der Härteschicht besonders feinkörnige Umwandlungsstrukturen (Gefügestrukturen) mit sehr guten mechanischen Eigenschaften; ein Abplatzen der Härteschicht ist nicht bekannt. Eine anschließende Anlassbehandlung zur Vermeidung von Rissgefahr ist nur in bestimmten Fällen, und zwar bei hochlegierten kohlenstoffreichen Kaltarbeitsstählen, erforderlich.
Die Lasertechnik eröffnet neue Dimensionen für das Härten stark beanspruchter Stellen, z.B. Werkzeuge der Umformtechnik, Biegestempel, Spritzgusswerkzeuge und Maschinenteile. Verschleißbeanspruchte Zonen, z.B. Biegeradien, können konturgenau und lokal präzise begrenzt gehärtet werden. Die Vorzüge dieser Wärmebehandlung lassen sich wie folgt zusammenfassen: lokal begrenzte Wärmeeinbringung, kurze Behandlungszeiten, reduzierter Verzug, Härten von komplexen Geometrien möglich, hohe Flexibilität, da keine Induktoren nötig sind, temperaturkontrolliertes Härten möglich, keine Kontamination der Oberfläche.

4.    Thermochemische Verfahren
4.1   Einsatzhärten

Das Einsatzhärten zählt zu den thermochemischen Verfahren. Im Rahmen dieses Verfahrens wird die Randschicht von Bauteilen und Werkzeugen mit einem Kohlenstoff abgebenden Medium aufgekohlt und anschließend abgeschreckt. Hierdurch werden die mechanischen Eigenschaften der Bauteilrandschicht (z.B. Verschleiß) verbessert. Die Abschreckung kann entweder direkt aus der Aufkohlungstemperatur oder nach einem Zwischenkühlen und Wiedererwärmen auf eine werkstoffspezifische Härtetemperatur erfolgen. Dies sind nur zwei Varianten möglicher Temperatur-Zeit-Folgen beim Einsatzhärten. Die Aufkohlung erfolgt in der Regel zwischen 880 bis 980°C. Nach dem Abhärten der aufgekohlten Bauteile ist überwiegend ein Anlassen erforderlich, um die aus der Härtung entstandenen Spannungen zu mindern und die geforderten Gebrauchs- festigkeiten einzustellen. Für das Einsatzhärten stehen dem Wärmebehandler unterschiedliche Anlagentechniken wie z.B. Kammeröfen, Durchlauföfen, Salzbäder, Niederdruckanlagen etc. zur Verfügung.
Partielles Einsatzhärten ist dank geeigneter Isoliertechniken möglich. Aufgekohlt wird mit Pulver, Salz, Gas und Plasma. Als Abschreck- medien werden hauptsächlich Öle und synthetische Polymerlösungen eingesetzt.
Einsatzstähle sind Baustähle mit verhältnismäßig niedrigem Kohlenstoffgehalt, die für Bauteile verwendet werden und deren Randschicht vor dem Härten üblicherweise aufgekohlt oder carbonitriert wird. Einsatzhärtestähle liegen im Kohlenstoffgehalt unter dem der Vergütungsstähle, also unter 0,25%.
Das Einsatzhärten dient dazu, der Randschicht von Werkstücken und Werkzeugen aus Stahl eine wesentlich höhere Härte und den Werkstücken und Werkzeugen bessere mechanische Eigenschaften zu verleihen. Einsatzgehärtete Bauteile und Werkzeuge zeichnen sich durch erhöhten Verschleißwiderstand, einen zähen Kern sowie durch eine erhöhte Biegewechselfestigkeit aus. Diese Eigenschaften sind vor allem bei Getriebeteilen erwünscht.

4.2   Carbonitrieren

Das Carbonitrieren zählt zu den thermochemischen Verfahren. Im Rahmen dieses Verfahrens wird die Randschicht von Bauteilen mit Kohlen- und Stickstoff angereichert und die mechanischen Eigenschaften der Bauteilrandschicht (z.B. Verschleiß) verbessert. Die Carbonitriertemperaturen sind niedriger als die bei der Einsatzhärtung, jedoch höher als die Nitriertemperaturen. Die Temperaturen bei der Carbonitrierhärtung im Gas liegen im Allgemeinen zwischen 760 und 900°C. Während beim Einsatzhärten Kohlenstoff und beim Nitrieren Stickstoff in die Stahloberfläche eindringt, beruht die Wirkung der Carbonitrierung auf Kohlenstoff- und gleichzeitig Stickstoffdiffusion. Durch Anreicherung von Stickstoff werden die Härtetemperatur und die kritische Abkühlgeschwindigkeit herabgesetzt, so dass milder abgeschreckt werden kann. Beide Faktoren verringern das Risiko des Verzugs. Mit einer anschließenden Anlassbehandlung wird die gewünschte Oberflächenhärte eingestellt. Falls eine partielle Carbonitrierung gefordert ist, können die nicht zu carbonitrierenden Bereiche isoliert werden.

Für das Carbonitrieren eignen sich unlegierte und niedrig legierte Einsatzstähle sowie Automaten- und Baustähle. Dies sind im allgemeinen Stähle mit Kohlenstoffgehalten unter 0,2%.  Das Carbonitrieren dient dazu, der Randschicht von Werkstücken und Werkzeugen aus Stahl eine wesentlich höhere Härte und den Werkstücken und Werkzeugen bessere mechanische Eigenschaften zu verleihen. Durch das Carbonitrieren entsteht ein erhöhter Verschleißwiderstand unter gleichzeitiger Verzugsarmut.

4.3   Nitrieren

Das Nitrieren bietet im Wesentlichen folgende gängige Varianten:
Nitrieren bei Diffusion von Stickstoff:
  • Gasnitrieren
  • Plasmanitrieren
  • Vakuumnitrieren
Nitrieren bei Diffusion von Stickstoff und Kohlenstoff:
  • Gasnitrocarburieren
  • Plasmanitrocarburieren
  • Salzbadnitrocarburieren
Für alle Verfahren gelten folgende Bedingungen: Je länger die Nitrierdauer, desto größer die Nitrierhärtetiefe (Nht). Je höher die Temperatur gewählt wird (Temperaturspannen von 350 – 630°C), desto tiefer kann der Stickstoff bei gleicher Zeiteinheit eindringen. Allgemein sinkt jedoch die Eigenhärte der Nitrierschicht mit zunehmender Behandlungstemperatur.
Werkstoffe mit nitridbildenden Elementen (z.B. Chrom, Molybdän, Vanadium, Aluminium) weisen eine höhere Nitrierhärte auf, jedoch reduziert sich die mögliche Stickstoffeindringtiefe mit zunehmendem Legierungsgehalt. Die verschiedenen Nitriertechniken im kurzen Überblick:

Gasnitrieren: In einer aufgespalteten Ammoniakgasatmosphäre diffundiert üblicherweise bei 500 – 530°C Stickstoff in die Bauteile ein. Durch lange Behandlungsdauern von 10 – 160 Stunden werden Nitrierhärtetiefen (Nht) von 0,1 – 0,9 mm erzielt, je nach verwendetem Werkstoff. Hauptziele sind z.B. Verbesserungen der Bauteilfestigkeit, Verschleißfestigkeit, Gleiteigenschaften, Temperaturbeständigkeit und Biegewechselfestigkeit. Eine partielle Behandlung kann durchgeführt werden.

Plasmanitrieren: Das Plasmanitrieren bewirkt die Einlagerung von Stickstoff in Eisenwerkstoffen üblicherweise bei 480 – 580°C und findet im Vakuum unter Zuhilfenahme des mit einer Glimmentladung erzeugten Plasmas an der Werkstückoberfläche statt. In Sonderfällen sind auch Behandlungstemperaturen von 350 – 480°C möglich. Hauptziele sind die bei der Gasnitrierung bereits genannten Eigenschaften. Das Verfahren eignet sich besonders für hochlegierte Werkstoffe (> 13% Cr) unter Berücksichtigung einer sich ggf. einstellenden Verschlechterung der Korrosionsbeständigkeit. Enge Spalten oder Bohrungen sind nicht immer gleichmäßig nitrierbar. Ergänzende Informationen über das Plasmanitrieren können Sie dem Infoblatt “Plasmanitrieren” entnehmen.

Vakuumnitrieren: Die Vakuumnitrierung ist ein Spezialnitrierprozess mit Ammoniak und Lachgas bei 450 – 550°C im Unterdruck. Sie dient zur Erzielung maximaler Härten bei Werkzeugstählen und hochlegierten Werkstoffen. Übliche Nht’s liegen bei 0,05 – 02mm. Eine Teilnitrierung ist nicht möglich. Gegenüber der Behandlung im Plasma werden aber bessere allseitige und gleichmäßige Nitrierergebnisse bei scharfen Kanten und Stegen sowie engen, tiefen Bohrungen bzw. Spalten erreicht.

Nitrocarburierung im Gas oder Plasma: Dieser Prozess erfolgt vorzugsweise bei 570 – 580°C in einem Gasgemisch Stickstoff-Kohlenstoff abgebender Medien und stellt eine Alternative zur Salzbadnitrocarburierung mit langsamerer Chargenabkühlung dar. Hauptziel ist der Verschleiß- oder Korrosionsschutz. Bei Abkühlung in oxidierenden Atmosphären kann die Korrosionsbeständigkeit noch zusätzlich verbessert werden. Die Nht liegt bei 0,1 – 0,35 mm. Die Oxidationsbehandlung nach der Nitrocarburierung ist nach allen Verfahrensvarianten möglich. Partielle Behandlungen sind bei Gas- oder Plasmabehandlungen möglich. Für alle Nitrocarburierverfahren gilt: Die Behandlung erfolgt zur Erzeugung der gewünschten Verbindungsschicht (VS), die Ausscheidungsschicht ist normalerweise von untergeordneter Bedeutung.

Salzbadnitrocarburierung: In einer Salzschmelze wird bei 570 – 580°C eine Nitrocarburierbehandlung durchgeführt. Die Behandlungszeit beträgt üblicherweise 60 – 120 Minuten, die Abkühlung erfolgt werkstoffabhängig im Wasser- oder Salzwarmbad. Die Nht beträgt ca. 0,1 – 0,25 mm (je nach verwendetem Werkstoff). Die Behandlung erfolgt vorwiegend zum erschleiß- und Korrosionsschutz; für hohe Belastungen ist das Salzbadnitrocarburieren weniger geeignet. Partielles Salzbadnitrocarburieren ist nicht möglich.

Zum Salzbadnitrocarburieren, Plasmanitrieren und Plasmanitrocarburieren können alle gebräuchlichen Stahl-, Guss- und Sinterwerkstoffe eingesetzt werden. Geeignet sind sowohl unlegierte als auch niedrig und hochlegierten Stähle.

Zum Gasnitrieren, Gasnitrocarburieren können alle gebräuchlichen Stahl-, Guss- und Sinterwerkstoffe eingesetzt werden. Geeignet sind unlegierte, niedrig legierte und mittellegierte Werkstoffe; hochlegierte Werkstoffe (> 13% Cr) sind – aufgrund ihrer Oberflächenpassivitäten – eher ungeeignet.

Die Vorzüge des Nitrierens sind hoher Verschleißwiderstand bei Adhäsion, Anpassung der Schichten an Verschleißarten, Reduzierung der Reibungskoeffizienten, Einsparung von Schmiermitteln, Schaffung korrosionsbeständiger Schichten, Warmbeständigkeit der Nitrierschicht bis 400°C, Teilnitrierungen möglich (Ausnahme: Salzbadnitrocarburieren).

4.4   Borieren

Borieren ist wie Nitrieren, Nitrocarburieren und Einsatzhärten ein thermochemisches Randschichthärteverfahren zur Erzeugung einer verschleißbeständigen Randschicht auf den Bauteilen. Boridschichten werden zur Senkung des abrasiven und adhäsiven Verschleißes eingesetzt. Die hohe Härte der Boridschicht, die je nach Substratwerkstoff zwischen 1600 und 2800 HV liegt, bildet die Basis für den Widerstand gegen Abrasivverschleiß. Die gute Eigenschaft gegen Adhäsivverschleiß ist auf die geringe Kaltschweißneigung der Boridschicht zurückzuführen. Anwendungsgebiete für Boridschichten sind der Fahrzeug-, Maschinen-, Anlagen- und Apparatebau.
Borieren ist eine thermochemische Behandlung, die Anreicherung der randnahen Zone eines Werkstückes mit Bor und die Bildung einer Boridschicht auf den Werkstücken. Das Borieren läuft bei Temperaturen von 850 bis 950°C ab. Als Borspender kommen pulver- und pastenförmige Bormittel zur Anwendung. Das Bor diffundiert in die Randzone der Werkstücke und bildet an der Oberfläche eine kompakte Randschicht aus FeB, Fe²B. Die Härte (1600-2800 HV) und die Dicke der Boridschicht (bis 100µm) hängt vom Grundwerkstoff ab. Zum Borieren können alle Eisen-Basislegierungen, Bau-, Einsatz-, Vergütungs-, Werkzeug- und chemisch beständige Stähle, HSS-Stähle, Armco-Eisen, Gusseisen, Sinterwerkstoffe, alle PM-Qualitäten, Nickel-Basislegierungen und Hartmetalle verwendet werden. Boridschichten werden bei der Herstellung von Werkzeugen für die Glasindustrie eingesetzt. Durch die geringe Adhäsionsneigung kommt die Boridschicht bei der Aluminiumverarbeitung zum Einsatz. Typische Einsatzgebiete sind außerdem Mühlenteile, Pumpenteile, Armaturenteile, Zement- und Kohleverarbeitung, Tabak- und Holzverarbeitung sowie Keramikverarbeitung.

4.5   Plasmanitrieren

Das Plasmanitrieren wird mit dem Ziel durchgeführt, die Verschleiß-, Ermüdungs- und Korrosionsverhaltens von Werkstücken zu verbessern. Im Gegensatz zu den sonstigen Methoden wie Gas-, Salz- und Pulvernitrieren besitzt das Plasmanitrieren eine Reihe von verfahrensspezifischen Vorteilen.
Das Plasmanitrieren wurde bereits vor dem zweiten Weltkrieg erfunden und immer weiter entwickelt. Ein wesentlicher Fortschritt gelang durch gepulste Entladung, wodurch der Energieeintrag gesenkt und die Temperaturgleichmäßigkeit verbessert werden konnte.
Neben dem Aspekt der Umweltfreundlichkeit lassen sich mit dem Plasmanitrieren die Eigenschaften des Schichtaufbaues gezielt an das geforderte Beanspruchungsprofil anpassen. Die Nitriertemperatur ist werkstückabhängig und liegt zwischen 350°C und 570°C. Dabei entwickelt sich eine Verbindungsschicht mit einer Stärke von 0 – 30µm und eine Diffusionszone von 0,1mm – 0,7mm. Die Behandlungszeit beim Plasmanitrieren beträgt zwischen 10 Minuten und 70 Stunden und richtet sich nach dem Werkstoff, dem gewünschten Schichtaufbau und der zu erreichenden Schichtdicke.
Zu den Hauptvorteilen des Plasmanitrierens zählen die Verbesserung der Reib- und Gleiteigenschaften, die Schaffung korrosionsbeständiger Schichten und die große Verzugsarmut. In der Regel werden fertigbearbeitete Bauteile plasmanitriert, die nach dieser thermochemischen Wärmebehandlung keiner weiteren mechanischen Fertigungsoperation wie z.B. Schleifen mehr unterzogen werden müssen.
Beim Plasmanitrieren werden zunächst die Werkstücke in Schutzgasatmosphäre mittels Ofenwandheizung auf Solltemperatur erhitzt. Durch Sputtern, d.h. Reinigung und Aktivierung der Werkstückoberflächen (Bombardement durch Ionenbeschuß) werden Passivschichten auf der Oberfläche entfernt, was das Nitrieren von korrosionsbeständigen Stählen und anderen passivschichtbildenden metallischen Werkstoffen erst ermöglicht.
Grundsätzlich eignen sich alle Stähle für eine Nitrierbehandlung. Das Ergebnis ist von Art und Gehalt der Legierungselemente und der Prozesstechnik abhängig. Maßgebend dafür sind die erreichbaren günstigen Randschicht- und Verbindungsschichteigenschaften. So werden Eisenwerkstoffe wie z. B. Einsatz-, Bau- und Vergütungsstähle, Werkzeugstähle, hochfeste und nichtrostende Stähle sowie auch Gusseisen mit Erfolg plasmanitriert. Durch die niedrige Behandlungstemperatur findet selbst bei hoher plastischer Verformung des Grundgefüges keine Rekristallisation statt. Folge: geringste Maßänderungen.
Die Vorteile des Plasmanitrierens sind:
  • Flexibilität der Prozessführung, wodurch das Verfahren an unterschiedlichsten Werstoffen und Schichtanforderungen anpassbar ist.

  • Partielle Behandlungen eröffnen wesentliche Möglichkeiten für Verbundkonstruktionen

  • Optimierung des Schichtaufbaus hinsichtlich Beanspruchung. (z. B. dünne Verbindungsschichten bei großer Nitrierhärtetiefe)
  • Hohe Reproduzierbarkeit und enge Toleranzen im Behandlungsergebnis

  • Geringere Rauhigkeiten im Vergleich zu Salzbad und Gas

  • Kompakte Verbindungsschichten

  • Integrierbarkeit in die Fertigung

  • Prozesskombinationen Nitrieren und Beschichten oder Nitrieren und Oxidieren

  • Hohe Maß- und Formbeständigkeit bei Sinterteilen

  • Temperaturmessung erfolgt direkt am Bauteil, dadurch ist eine präzise Temperaturführung möglich.

  • Porenfreie bzw. Porenarme Verbindungsschichten möglich

  • Geringe Maßänderungen und geringfügige Änderungen der Werkstückrauheit ermöglichen es, in vielen Fällen die Bauteile und Werkzeuge vor der Wärmebehandlung montagefertig zu bearbeiten.

  • Effektive Nutzung des Prozessgases

  • Höchste Umweltverträglichkeit, im Vergleich zu alternativen thermochemischen Verfahren.

  • Einfaches mechanisches Abdecken nicht zu nitrierender Stellen am Werkstück möglich.

Demgegenüber können als Nachteile genannt werden:
  • Definiertes Chargieren der zu behandelnden Teile

  • Plasma dringt nicht in Spalte kleiner 0,6 – 0,8 mm ein, daher ist die Behandlung von Schüttgut nicht möglich

Neben dem Wegfall der Nacharbeit ist das Plasmanitrieren führend, wenn gleichzeitig Korrosions-, Verschleiß- sowie Festigkeitssteigerungen an Bauteilen erzielt werden sollen. Aufgrund der hohen Prozeßsicherheit werden vor allem auch kritische Serien- und Normteile wie beispielsweise Synchronringe, Präzisionszahnräder für Hochleistungsgetriebe, Ventile, Werkzeuge und Gesenke, Auswerferstifte, oder eng tolerierte Hydraulikkolben, die nach der Behandlung einbaufertig sind, heute plasmanitriert.

5.    Sonderverfahren
5.1   Tiefkühlen

Im Wesentlichen bestimmen die Härte und der Verschleißwiderstand die Lebensdauer von Werkzeugen. Daneben sind Maßhaltigkeit und geringe Eigenspannung bei vielen Werkzeugen unverzichtbare Voraussetzungen für eine einwandfreie Funktion. Gefügeveränderungen, wie eine Restaustenitumwandlung während des Gebrauchs, können zum Ausschuss des Werkzeugs führen; sie sind daher möglichst zu vermeiden. Als Restaustenit wird der Austenitanteil bezeichnet, welcher nach dem Abschrecken bis auf RT im Gefüge verbleibt. In bestimmten Anwendungsfällen, insbesondere bei Verwendung hochlegierter Werkzeugstähle, kann der Austenitgehalt eines Stahls auf dessen Verwendbarkeit und Güte entscheidenden Einfluss nehmen.

In letzter Zeit wird vor allem für die hochlegierten ledeburistischen Werkzeugstähle das Tiefkühlen verstärkt in Erwägung gezogen. Hierbei wird neben dem Tiefkühlen unmittelbar nach dem Abschrecken aus Gründen möglicher Rissgefahr oftmals auch das Tiefkühlen nach dem ersten Anlassen favorisiert. Hervorzuheben ist, dass ein Tiefkühlen immer eine Rissgefahr in sich birgt und somit nicht ohne weiteres für alle Werkzeuge geeignet ist. Zusätzlich muss bedacht werden, dass ein Tiefkühlen nicht bei allen Stählen Sinn macht, da nicht in allen Stählen Restaustenit entsteht. Die Bildung von Restaustenit hängt hauptsächlich vom C-Gehalt ab. In unlegierten und schwachlegierten Stählen muss ein C-Gehalt von mindestens 0,5% vorhanden sein. Grundsätzlich kann der Restaustenitgehalt auch durch ein mehrfaches, mindestens dreimaliges Anlassen gesenkt werden.

Der bei RT nach dem Härten vorliegende Restaustenitanteil kann durch ein Tiefkühlen, insbesondere bei ledeburitischen Chromstählen (z.B. 1.2379, 1.2080, 1.2436) sowie Schnellarbeitstählen, verringert werden. Auch bei eutektoiden Werkzeugstählen, wie beipielsweise 1.2842, kann ein Tiefkühlen sinnvoll sein. Grundsätzlich sollte die Tiefkühlbehandlung unmittelbar nach dem Härten, also vor dem ersten Anlassen, stattfinden.

Der Erfolg eines Tiefkühlens erst nach dem ersten Anlassen ist dagegen nach dem aktuellen Kenntnisstand zum Zweck der Restaustenitumwandlung zunächst zweifelhaft. Dennoch ergeben sich augenscheinlich auch nach einer solchen Prozessfolge, Standzeitverbesserungen. Gründe hierfür können die Ausscheidung dispers verteilter ?-Karbide sein.

Die gezielte Umwandlung von Restaustenit durch Kombination konventioneller Wärmebehandlungstechniken mit Tiefkühlen ist oft die technisch und wirtschaftlich sinnvollste Verfahrensweise, um die angestrebten Werkstoffeigenschaften zu erzielen. Eine große Anwendungsvielfalt kennzeichnet die Entwicklung der letzten Jahre; ebenso der Trend zu immer tieferen Temperaturen. Temperaturen bis auf -60°C lassen sich in gekühlter Luft (übliche Tiefkühltruhen oder -schränke) erreichen. Niedrigere Temperaturen als -60°C können unter Verwendung von Trockeneis, Alkoholmischungen oder in verflüssigten Gasen (flüssiger Stickstoff: -196°C) erzielt werden. Minustemperaturen von -196°C durch Flüssigkstickstoff werden heute überwiegend direkt und indirekt angewendet. In Sonderfällen ist sogar die Unterschreitung dieser Temperaturen durch Übergang auf Flüssighelium mit einem Temperaturniveau von ca. -269°C sinnvoll.

6.    Beschichtungsverfahren
6.1   CVD-Verfahren

CVD steht als Abkürzung für chemical vapour desposition. Es handelt sich dabei um die Abscheidung von Feststoffen aus der Gasphase, wobei die Gasphase im Gegensatz zu den PVD-Verfahren, auf chemischem Weg erzeugt wird. Man macht sich dabei zunutze, dass flüchtige Verbindungen unter Zuführung von Wärme chemisch reagieren und als Schicht kondensieren. Seit 1960 wird die relativ aufwendige Verfahrenstechnik zur industriellen Herstellung, insbesondere von Verschleißschutzschichten, angewendet. Chemische Reaktionen, die zur Erzeugung der Verschleißschutzschichten genutzt werden, sind zum Beispiel:

Titankarbid TiC aus Titantetrachlorid TiCl4 und Methan CH4
Titannitrid TiN aus Titantetrachlorid TiCl4 und Stickstoff N2
Aluminiumoxid Al2O3 aus Aluminiumchlorid AlCl3, Kohlendioxid CO2 und Wasserstoff H2

Bei Titankarbid lassen sich Schichthärten über 3000 HV0,05 erreichen, bei Titannitrid bis 2300 HV0,05, bei Aluminiumoxid bis 2100 HV0,05. Damit diese Reaktionen ablaufen, sind Temperaturen von 800 bis 1100°C notwendig. Der Fertigungslauf für die Herstellung von CVD-beschichteten Werkzeugen und Bauteilen kann wie folgt beschrieben werden:
  1. Zerspanung
  2. Spannungsarmglühen (Vorbeugung von Verzug)
  3. Ersthärtung in Vakuum oder Schutzgas
  4. Fertigstellen der Werkzeuge (Schleifen, evtl. Polieren, R z < 1 µm) auf Korrekturmaße, um nach Beschichtung und Zweitwärmebehandlung die gewünschten Maße einzuhalten
  5. CVD-Beschichtung zwischen 800 und 1100°C, abhängig von Trägerwerkstoff und CVD-Schichtsystem
  6. Zweithärtung im Vakuum unter Berücksichtigung der Soll-Maße
  7. eventuelle Nachpolitur / Finish der CVD-Schicht
Mit dem CVD-Verfahren beschichtbare Trägerwerkstoffe sind Schnellarbeitsstähle, Kaltarbeitsstähle, Warmarbeitsstähle, Hartmetall-P-Sorten.

Vorteile von CVD-Schichten sind insbesondere ihre sehr gute Haftung aufgrund ihrer Verankerung durch Diffusion im Trägerwerkstoff. Durch das Einbringen der Beschichtungsstoffe in den CVD-Ofen als Gase ergibt sich eine sehr gute Konturenfolgung der Schicht auch auf komplizierten Geometrien. Anwendungsbereiche von CVD-Schichten sind insbesondere Werkzeuge für die Massivumformung, Großwerkzeuge für die Blechbearbeitung, Hartmetall-Wendeschneidplatten

6.2   PVD-Verfahren

Das Schlagwort PVD (Abkürzung für physical vapour deposition) bezeichnet alle Verfahren der physikalischen Abscheidung dünner Schichten über die Dampfphase. Dabei wird das Ausgangsmaterial für die Schichten über die physikalischen Vorgänge des Verdampfens (mit Lichtbogen (“Arc”) oder Elektronenstrahl) oder der Kathodenzerstäubung im Hochvakuum in die Dampfphase übergeführt und anschließend auf einem geeigneten Substrat wieder niedergeschlagen. Die dabei erzeugten Schichtdicken auf Werkzeugen und Bauteilen bewegen sich zwischen 1 µm und maximal 15 µm.

Verschleißschutzschichten auf Werkzeugen und Bauteilen werden mit allen drei oben erwähnten PVD-Verfahren auf computergesteuerten Beschichtungsanlagen abgeschieden. Es handelt sich dabei um nitridische Hartstoffschichten, d.h. Verbindungen aus den Übergangsmetallen Titan und Chrom mit Stickstoff. Erweiterte Eigenschaften liefern Schichten, die zusätzlich Aluminium und Kohlenstoff enthalten. Die bei den Lohnschichtern auf dem Markt erhältlichen Schichten basieren auf den Grundtypen der nitridischen Hartstoffschichten Titannitrid TiN, Titankarbonitrid TiCN, Titanaluminiumnitrid TiAlN und Chromnitrid CrN, die mit einigen ihrer Eigenschaften in der folgenden Tabelle zusammengestellt sind.

Schicht TiN TiCN TiAlN CrN
Farbe gold violett – dunkelgrau anthrazit metallisch
Schichtdicke µm 1 – 5 1 – 5 1 – 5 1 – 10
Mikrohärte HV 0,05 2.300 3.000 3.000 1.900
Oxidationstemperatur °C > 450 > 350 > 700 > 600

Sie zeichnen sich augrund der hohen kovalenten Bindungsanteile der Schichtatome durch hohe Schichthärte, gute Oxidationsbeständigkeit und chemisch träges Verhalten aus.

Der von den Verdampfern ausgehende, gerichtete Teilchenstrahl des metallischen Schichtbestandteils durchfliegt die Hochvakuumkammer, wobei der Ionenanteil durch das am Beschichtungsgut liegende negative Potential auf die Werkzeuge beschleunigt wird. Die aufwachsende Schicht ist dadurch einem Ionenbeschuss ausgesetzt, was zu einer Verdichtung und insbesondere zu einer verbesserten Haftung der Dünnschicht auf der Werkstückoberfläche führt. Durch den hohen Ionenanteil beim Lichtbogenverdampfen ist dieser Effekt gegenüber den anderen PVD-Verfahren besonders ausgeprägt.

Zur Erzeugung dieser Verbindungsschichten wird ein Reaktivgas durch die Hochvakuumkammer geleitet. TiN-Schichten erhält man so durch die Reaktion des Titandampfes mit Stickstoff im Plasma, für TiCN wird zusätzlich ein kohlenstoffhaltiges Gas eingesetzt. Wegen des gerichteten Stroms der Schichtteilchen müssen die Werkzeuge bzw. Bauteile während des Prozesses bewegt werden, um eine gleichmäßige Beschichtung zu erhalten.

Schichten zur Reibungsverminderung, wie Weichschichten auf Basis von Molybdändisulfid und Kohlenstoffschichten, werden vorzugsweise mit dem PVD-Verfahren Kathodenzerstäubung abgeschieden.
Geeignet zur Abscheidung der nitridischen Hartstoffschichten sind gehärtete Werkzeugstähle mit Anlasstemperaturen über 500°C (Schnellarbeitsstähle, Warmarbeitsstähle, ausgewählte Kaltarbeitsstähle, rostbeständige Stähle, Kunststoffformenstähle, da die Beschichtungstemperaturen im allgemeinen bei 450°C liegen. Des weiteren sind Hartmetalle beschichtungsfähig. Es ist zu beachten, dass es sich bei der PVD-Beschichtung um eine weitere Wärmebehandlung an einem fertig bearbeiteten Werkzeug handelt und es deshalb wichtig ist, dass das Werkzeug vorher beschichtungsgerecht wärmebehandelt wurde, um Veränderungen im Gefüge, der Härte und der Maße zu vermeiden. In Spezialfällen und/oder für Spezialschichten sind auch PVD-Beschichtungsprozesse unterhalb von 200°C möglich.
Die PVD-Beschichtung erfolgt als letzter Veredelungsschritt auf dem fertig bearbeiteten Werkzeug oder Bauteil ohne Veränderung der Maßhaltigkeit aufgrund der dünnen Schichtdicken. Durch die besonderen Eigenschaften der Schichten erhält man eine deutliche Steigerung des Verschleißwiderstandes bzw. eine Reibungsminderung. Dadurch ergibt sich ein breites Anwendungsspektrum auf Werkzeugen zur Zerspanung, Umformung, Druckgießen, Werkzeugen zur Kunststoffverarbeitung und vielen Bauteilen.

7.    Innovative Wärmebehandlungsverfahren
7.1 Vakuumwärmebehandlung

Die Vakuumtechnik findet in vielen Anwendungsbereichen der Wärmebehandlung von Metallen, so beim, Härten, Glühen, Anlassen, Sintern von Metallen oder Keramik Löten, Lösungsglühen von rostfreien Stählen, Aushärten, Entgasen von Sonderlegierungen, etc.
Die Vorteile der Vakuumwärmebehandlung sind bezogen auf die Wärmebehandlung und das Härten von Metallen im Wesentlichen:
  • optimale Härte
  • blanke Oberflächen
  • oxidations- und entkohlungsfreie Randzonen
  • Verzugsarmut, auch bei Werkstücken mit komplexen Geometrien
  • Qualitätskonstanz
  • Reproduzierbarkeit
  • einsetzbar für eine breite Werkstoffpalette
Zum Einsatz kommen eine Vielzahl von Ein- und Mehrkammerofentypen in horizontaler und vertikaler Bauart. Vakuumöfen sind generell flexibel im Design, energieeffizient oder optional erweiterbar und in vielen Bereichen dezentral aber auch aufgrund der „sauberen“ Betriebsweise im Bereich der „lean“-Produktion im Einsatz.

Die wesentlichen Anwendungen der Vakuumwärmebehandlung sind
  • Werkzeug- und Formenbauer
  • Luft- und Raumfahrtindustrie
  • Automobilindustrie
  • Lohnhärtereien
  • Hersteller von PM-Sinterprodukten einschließlich MIM-Technologie
  • Industrielle Oberflächenbehandlung
  • Medizinindustrie und chirurgische Geräte
  • Lebensmittelindustrie
  • Solartechnik
  • Universitäten, Laboratorien und Forschungszentren
  • Münz- und Medaillenhersteller Lohnwärmebehandler
  • Stahllieferanten
  • Hersteller von Turbinen für Industrieanlagen sowie für die Luft- und Raumfahrt
  • Hersteller von Wärmetauschern
  • Hersteller von Schneidwerkzeugen

7.1.1 Anwendungen

Die industrielle Anwendung der Vakuumwärmebehandlung begann bereits in den 50er Jahren in der Luftfahrttindustrie und hat mittlerweile in den wesentlichen Industriebereichen Einzug gefunden. Insbesondere das Glühen von hitzebeständigen Werkstoffen, z.B. Mo, W, Titan und Ti-Legierungen oder auch das Hochtemperaturlöten von hochlegierten Werkstoffen wie Ni-Fe-Legierungen, Ni-Ti-Legierungen, Ti-Al-Co-Legierungen sind ohne Vakuumofentechnik in der erforderlichen Qualität nicht denkbar.
Die Vakuumwärmebehandlung findet in der Regel im Druckbereich von von 10-3 mbar bis 10-6 mbar statt. Die erforderlichen „Dichtheiten“ der Ofenanlagen oder auch Leckraten genannt liegen bei 10-3 mbar l/s. Restgasatmosphären bestehen aus geringen Mengen an oxidierenden oder aufstickenden Gasen wie z.B. H2O(ca.80%), N2  (ca.15%), O2 und CO (ca.5%). Der Temperaturbereich für Vakuumwärmebehandlungen liegt in der Regel bei 150-1300°C (bis max. 3000°C) mit einer engen Streuung im Ofenraum und der Charge (Temperaturverteilung im Arbeitsraum +- 5°C). Die Verwendung von Gasen zum Abschrecken ermöglicht das Härten von Metallen in diesen Öfen (Abschreckdruck: 1 – 10 bar (max.25 bar)). Standard Vakuumofen sind mit Grafitauskleidung/-beheizung und integriertem Abschrecksystem ausgestattet.
Die Vakuumwärmebehandlung findet Anwendung in den folgenden Werkstoffgruppen:
  • Pulvermetallurgische Werkstoffe (PM)
  • Spritzgegossene Werkstoffe (PIM)
  • Technische Keramik (SiC, Al2O3, AlN, B4C), Konstruktionskeramik
  • Halbleiterkeramik/Funktionskeramik (z.B. Piezokeramik „PZT“)
  • Dentalkeramik
  • Hartstoffe (WC-Co, TiC, TiN, TiCN, TiB)
  • Stähle
  • Ti und Ti-Legierungen, Sonderlegierungen
  • Keramische/metallische Verbundwerkstoffe (CMC/MMC)
  • Hochkovalente Werkstoffsysteme (Si-C; Si-C-N; Si-B-C-N; Si-C-O etc.)
  • Graphit, Kohlenstoff
  • Gläser (z.B. Quarz, CaF2 etc.)
  • Dünnschicht Si-Solarzellen

7.1.2 Verfahren
7.1.2.1       Vakuumhärten und –glühen

Das Vakuumhärten hat in den letzten 20 Jahren eine immer größere Bedeutung erlangt. Es ist umweltfreundlich, sauber und durch moderne Programmsteuerungen, die volle Reproduzierbarkeit sichern, auch wirtschaftlich. Das behandelte Werkstück hat in jedem Fall eine metallisch blanke Oberfläche. Hinsichtlich Maßänderung und Verzug gibt es kein vergleichbares Verfahren. Für die wesentlichen Anwendungsfälle existieren vakuumhärtbare Stähle.

Tab. 1 :          Härtbare Stahlqualitäten (Quelle Werz)

Unter Vakuumhärten versteht man generell die Erwärmung in einem Vakuumkessel, dabei wird durch Abpumpen der Luft ein Vakuum von bis zu 10–3 mbar und mehr erzeugt. Anschließend wird durch elektrisch beheizte Graphitstäbe die Charge stufenweise bis auf Härtetemperatur erwärmt. Das Abschrecken der Teile erfolgt durch Einblasen von gasförmigem Stickstoff bis zu einem Druck von in der Regel 6 – 10 bar.

Bei jeder Erwärmung reagiert der vorhandene Luftsauerstoff mit der Oberfläche des Werkstückes (Oxidation). Diese Reaktion ist umso heftiger, je höher die Temperatur ist. Bei entsprechend langer Verweilzeit auf hohen Temperaturen kommt es zu einer Verzunderung (ab ca. 600°C) und zur Ent- bzw. Abkohlung der Oberfläche (ab ca. 780°C), die sich beim anschließenden Härten als sogenannte “Weichhaut” darstellt. Aus diesem Grund ist bei jeder Erwärmung ab ca. 400°C eine Schutzgasatmosphäre erforderlich. Bei höheren Temperaturen (üblicher Temperaturbereich beim Härten: 850 – 1200°C) bietet das Vakuum Schutz vor Oxidation und Entkohlung. Selbst bei Härtetemperaturen von 1300°C sind die Werkstücke nach dem Härten absolut blank.

7.1.2.2       Vakuumlöten

Löten ist ein thermisches Verfahren zum stoffschlüssigen Fügen von Werkstoffen, wobei eine flüssige Phase durch Schmelzen eines Lotes (Schmelzlöten) oder durch Diffusion an den Grenzflächen (Diffusionslöten) entsteht. Löten gehört zu den wichtigen elektrischen Verbindungstechniken. Damit der Diffusionsprozess stattfinden kann, müssen alle Metalloberflächen blank und somit frei von Oxiden und Verschmutzungen sein. In der Großserienfertigung wird aus Kostengründen ohne Flussmittel unter Vakuum oder Schutzgas gelötet. Das Vakuum bzw. Schutzgas verhindert die Oxidation; Schutzgas kann zusätzlich auch reduzierend auf vorhandene Oxidschichten wirken.
Das Vakuumlöten macht es möglich, Vorzüge der Wärmebehandlung im Vakuum zu nutzen: Flexibilität des Chargenofens, Integrierbarkeit in die Produktionslinie und Schutz der Oberflächen. Im Vergleich zu den traditionellen und atmosphärischen Lötverfahren bieten sich Vorteile bei der Verbesserung der Benetzbarkeit und der kapillaren Penetration/Eindringung. Angesichts des wachsenden Bedarfs an Lötverbindungen höchster Qualität für kritische Anwendungen wenden sich Industrien von den klassischen Verfahren der Verbindung ab und orientieren sich zunehmend hin zum Vakuumlöten.
Das Verfahren Flussmittelfreies Hochtemperaturlöten im Grob-, Fein- oder Hochvakuum wird bei thermisch und mechanisch höher belasteten Verbindungen durchgeführt. Hauptsächlich werden Lote auf Nickel-, Kupfer- oder Edelmetallbasis als kristalline Folien, Plattierungen, Pulver oder Pasten eingesetzt.
Vakuumlötöfen müssen daher für die Arbeit mit Loten auf Kupfer- oder Nickelbasis ausgelegt sein, die einen hohen Schmelzpunkt aufweisen. Je nach Anwendung kommen Isolierungen aus Faserisolierungen oder Metallstrahlblech-Isolierung, bzw. Beheizungen aus. Grafit- oder Metallwiderständen zum Einsatz.
Auch das Löten von Aluminium (Kühler im Automobilbau) findet zunehmend Verwendung und stellt für den Ofenbau eine anspruchsvolle Anwendung dar, da diese bei Temperaturen von ca. 600 °C eine hohe Temperaturgleichmäßigkeit von ± 3 °C voraussetzt. Dieses ist erforderlich, da die Schmelzpunkte der Basislegierung und des Lotes nahe beieinander liegen.
Vorteile des Vakuumlötens:
  • Definiert einstellbare Ofenatmosphäre
  • Ausgezeichnete Temperaturgleichmäßigkeit
  • Schnelle Temperaturregelung
  • Umweltfreundliche, flussmittelfreie Lötung
  • keine Nachbehandlung der Teile, kein Entsorgen von Flussmittelrückständen,
  • keine Beanspruchung des Ofeninnenraums durch Flussmittel
  • Beeinflussung der Korrosionsbeständigkeit durch Flussmitteleinschlüsse
  • Hohe Reinheit der Lötung
  • Hohe Verbindungsfestigkeit im Bereich des Grundwerkstoffs
Der Standard Vakuum-Lötofen weist in der Regel die folgenden Spezifikationen auf :
  • Chargenabmessungen bis zu 1.200 x 1.500 x 1.200 mm (B x L x H)
  • Stückgewichte bis 3 t
  • Temperaturgleichmäßigkeit besser ± 5 K
  • Arbeitsvakuum von 10-2 bis 10-6 mbar
  • Grafit- oder metallische Ausführung der Heizkammer
  • Drucklose Gehäuse in Normal- oder Edelstahl
  • Arbeitstemperatur ca. 1.200 °C
7.1.2.3       Niederdruckaufkohlung

Beim Vakuumaufkohlen werden die aufzukohlenden Teile aufgrund des hohen Kohlenstoffübergangs durch einen Wechsel aus Aufkohlungs- und Diffusionszyklen gesteuert. In den Aufkohlungsphasen werden reine Kohlenwasserstoffe wie Methan, Propan oder Acetylen als Aufkohlungsatmosphäre bei Drücken von 2 bis 25 Millibar verwendet. Während der Diffusionsphase wird kein Kohlenstoffspender der Ofenatmosphäre zugeführt: Typischerweise wird der Druck mittels Vakuumpumpen abgesenkt oder mit Inertgasen bei geringen Drücken gespült.
Seit mehr als 25 Jahren stellt die Niederdruckaufkohlung eine interessante Alternative zu den herkömmlichen Verfahren der Aufkohlung dar. Ihre Verwendung, die lange Zeit durch technische und wirtschaftliche Probleme gebremst wurde, hat sich im Laufe der letzten 10 Jahre etabliert und eine Verbesserungen der Homogenität bei Vermeidung von Oxidation ergeben.
Die Vorteile der Niederdruckaufkohlung sind:
  • hohe Kohlenstoff-Übertragungsrate
  • höchste Gleichmäßigkeit der Aufkohlung auch bei schwierigen Geometrien
  • hohe Wirtschaftlichkeit durch geringe Gasverbräuche
  • kurze Behandlungszyklen
  • hohe Umweltverträglichkeit

Diverse Anlagenhersteller sind im Markt vertreten und bieten Ihre speziellen Verfahrenstechniken an. Die Abschreckung mit Überdruckgas, unabhängig vom Druck und von der Art des Gases, weist grundsätzlich eine beschränkte Kapazität auf. Vakuumöfen mit Öl- und Gasabschreckung weisen eine erweiterte Bandbreite von Stahlsorten auf, angefangen von den klassischen Einsatzstählen über rostfreie Stahlsorten bis hin zu den legierten Stahlsorten.

7.1.2.4       Vakuum-Ölhärten

Öl ist das bevorzugte Härtemedium für niedrig legierte Baustähle, Einsatzstähle, Walzstähle oder auch für bestimmte Kaltarbeitsstähle. Diese Stähle benötigen höhere Abkühlgeschwindigkeiten als die Stahlsorten, die normalerweise mit Überdruck-Gasabschreckung gekühlt werden, wie z.B. Werkzeugstahl, nichtrostender Stahl, Superlegierungen, etc.

Abb. 2:          Vakuumofen mit Ölabschreckung, Ø 900 x H 1600 mm, 1000 kg Charge, Vakuum < 5.10-3 mbar, max. Temperatur: 1250°C, Homogenität +/- 5°C. (Quelle ECM)

7.1.2.5       Tiefkühlen

Die Tiefkühlbehandlung bietet sich vor allem für die Behandlung von rostfreiem Stahl, Schnellarbeitsstahl, Werkzeugstahl und Kaltarbeitsstahl an und kommt zwischen Härte- und Anlasszyklus zum Einsatz. Das Tiefkühlen reduziert den Restaustenitgehalt und erhöht zugleich die Härte und Abmessungsstabilität der behandelten Teile. Wirtschaftlich ist dieses Verfahren, da die Dauer der Vergütezyklen reduziert wird.
Das Tiefkühlen beruht auf der Einspeisung von flüssigem Stickstoff mit – 185° C. Bei der Einspeisung in die Heizkammer geht der Stickstoff von der Flüssigphase in die Gasphase über. Die Verdunstung führt zu einer erheblichen Zunahme (x 700) des Volumens des konstant eingeführten Stickstoffs, der mit den zu behandelnden Teilen in Kontakt kommt. In Abhängigkeit von den besonderen Anforderungen und den verschiedenen Einsatzgebieten, variieren die erforderlichen Temperaturen im Allgemeinen zwischen -60° C und -150° C.
Eine weitere Möglichkeit des Tiefkühlens besteht, indem flüssiger Stickstoff durch einen im Vakuumofen eingebauten Wärmetauscher geleitet wird. Auf Grund der Erwärmung wird der Stickstoff gasförmig und ändert sein Volumen und Druck. Der aus dem Wärmetauscher austretende Stickstoff wird zur weiteren Verwendung in Pufferbehälter gespeichert. Der Vakuumofen wird mit einer Stickstoffatmosphäre versehen. Diese Atmosphäre wird über einen internen Umwälzlüfter immer wieder über den Wärmetauscher, der den flüssigen Stickstoff vergast, geleitet. Hat die Charge die gewünschte Temperatur erreicht, wird der Zustrom flüssigen Stickstoffs unterbunden. Der restliche Stickstoff im Wärmetauscher kann weiterhin zu den Pufferbehältern expandieren. Ist der max. Druck in den Pufferbehältern erreicht, wird der überschüssige Stickstoff in die Umgebungsluft geleitet. Sollte die Stickstoffmenge in den Pufferbehältern nicht reichen, kann über eine separate Stickstoffleitung nachgefüllt werden.

7.1.2.6       Lösungs- oder Niederdrucknitrierung

Analog der Niederdruckaufkohlung bietet die Lösungs- oder Niederdrucknitrierung eine Reihe von Vorteilen.
Prozessbedingt können eine Vielfalt von Chargentypen behandelt werden: Schüttgutteile, kompakte oder scharfe Teile, Teile mit Sacklöchern, Hohlräumen, verdeckten Flächen u.a.

7.1.2.7     Sintern

Sintern ist ein urformendes Fertigungsverfahren für Formteile in einem Vakuumofen. Es gestattet die Herstellung von Halbzeugen und Fertigteilen unter Umgehung der flüssigen Phase. Beim Sintern werden Pulvermassen zunächst so geformt, dass wenigstens ein minimaler Zusammenhalt der Pulverpartikel gegeben ist. Deshalb darf z.B. bei der Pulvermetallurgie die Korngröße 0,6 mm nicht übersteigen.
Der vorgepresste Grünling wird im Anschluss durch Wärmebehandlung unterhalb der Schmelztemperatur verdichtet und ausgehärtet. Der Sintervorgang läuft in drei Stadien ab, während deren sich die Porosität und das Volumen des Grünlings deutlich verringert. Im ersten Stadium erfolgt lediglich eine Verdichtung des Grünlings, wohingegen sich im zweiten Stadium die offene Porosität deutlich verringert. Die Festigkeit der Sinterkörper beruht auf den im dritten Stadium gebildeten Sinterhälsen, die durch Oberflächendiffusion zwischen den Pulverpartikeln entstehen. In manchen Fällen erfolgt nach dem letzten Vorgang noch ein Richten des Werkstückes, meistens wenn eine sehr hohe Maßgenauigkeit erforderlich ist. Beim Richten wird das quasi fertige Werkstück noch einmal unter hohem Druck in eine Form gepresst und somit ist eine hohe Maßhaltigkeit oder z.B. die Einhaltung der technischen Toleranzen (Form- und Lagetoleranz) möglich.
Vakuumsintern von z.B. rostfreien Stahle wird bei Temperaturen von etwa 1250°C ausgeführt. MIM (Metal Injection Molding) – Teile werden bei Temperaturen bis zu 1400°C – 1.600°C entweder in Grafit- oder Ganzmetallvakuumöfen (Molybdän / Wolfram) gesintert. Das sogenannte „Hippen“ findet bei Temperaturen bis zu 1600°C und Drücken bis zu 100bar gesintert.

Abb. 3:          MIM-Sinter-Teile

Technische Keramik (SiC, AlN, etc) wird in Vakuumöfen bei Betriebstemperaturen bis zu 2.500°C gesintert.

Abb. 4 :          Keramik-Sinterteile

7.2.  Anwendungen
7.2.1 Wärmebehandlung von Werkzeugen

Ein wesentlicher Anwendungsbereich der Vakuumhärtetechnik ist die Behandlung von Werkzeugen aus Werkzeugstählen nach DIN 17350, aus mittel- bis hochlegierten Sonderstählen, über den Bereich der rost- und säurebeständigen Qualitäten bis hin zu den pulvermetallurgischen Varianten.

Abb. 5:          Wärmebehandlung von Werkzeugen, Formen und Gesenken    (Quelle SWF)

Dabei wird in der Regel in einem Verfahrensschritt gehärtet und angelassen (zum Beispiel bei einer Sekundärwärmebehandlung von Werkzeugen aus 1.2379; Voraussetzung ist eine Chargenregulierung über Schleppelemente). Zwischengeschaltete programmgesteuerte Tiefkühloperationen bei bis zu -196°C, unmittelbar nach dem Härten und vor dem zwei- bis dreimaligen Anlassen, sind vor allem bei stark zu Restaustenit neigenden hochlegierten Stählen, aber auch zur Maßstabilisierung von passgenauen Werkzeugen erforderlich.

7.2.2 Luft- und Raumfahrt

Die Luftfahrttechnik ist eine der wesentlichen Anwender der Vakuumwärmebehandlung, die entweder als Subunternehmer oder Ausrüster, die anspruchsvollen Normen und technischen Bedingungen der AMS (NADCAP-Spezifikationen) unterliegen, die von der SAE Aerospace herausgegeben werden.
Sie erfordert die Gewähr einer ständigen Kontrolle der Produktionswerkzeuge und der Systematisierung einer lückenlosen Rückverfolgbarkeit. Die Überarbeitung der Norm AMS2750-C, die im September 2005 offiziell mit dem Index D herausgegeben wurde, legt die Messlatte noch etwas höher, indem sie die Toleranzen und Unsicherheiten bei der Eichung und Kalibrierung von Temperaturfühlern und pyrometrischen Geräten noch enger zieht. Aktuell findet hierzu vor allem auch Zusammenhang mit der CQI9 in Deutschland (IHT) eine für die Praxis nutzbare „Auslagung“ unter Federführung der Automobilisten Ford und Bosch statt.

7.2.3 Automobilindustrie

Da das Härten im Vakuumofen besonders geeignet für stark verzugsempfindliche Präzisionsbauteile sowie Formbauteile und Werkzeuge ist und eine sehr exakte Temperatursteuerung mit Dokumentation ermöglicht, werden Vakuumöfen sehr breit im Bereich der Automobilindustrie eingesetzt.

7.2.4 Lohnhärtereien

Die große Bandbreite der Anwendungen prädestiniert den Vakuumofen für den flexiblen Einsatz in der Lohnhärterei.

7.2.5 Solartechnik/Photovoltaik

Seit 2001 ist die Photovoltaik Branche jährlich im Mittel mit 46 % gestiegen (Quelle: AMG Geschäftsbericht) und bietet daher für den Vakuumofenbau ein interessantes Potential. Angesichts der Endlichkeit der fossilen Brennstoffvorkommen und des bei ihrer Nutzung entstehenden Treibhausgase (CO2) wird eine grundlegende Änderung der Energieerzeugung in nächster Zukunft unabdingbar. Regenerative Energien, wie zum Beispiel Sonnenenergie sind unerschöpflich und ökologisch bedenkenlos.
Die Photovoltaik nutzt den Photoeffekt, um mittels kristalliner Solarzellen aus der Energie der Photonen des Sonnenlichts direkt elektrischen Strom zu erzeugen. Die Vakuumofentechnik bietet mit ihren Ausführungen im Bereich der Kristallzuchttechnologie zur Herstellung hochwertiger Kristalle, aus denen Solarwafer hergestellt werden, Lösungen an.
Vakuumöfen werden hier zur Kristallzüchtung, insbesondere zur Züchtung von mono- und polykristallinen Siliziumkristallen eingesetzt.

Abb.6:                       Herstellung polykristallinem Silizium (Quelle ECM)
Abb. 7:          Tiegel mit polykristallinem Silizium


7.2.6 Halbleitertechnik, Optoelektronik

Ein weiterer Zukunftsmarkt für die ist die Halbleiterindustrie. Verfahren zur schnellen und breitbandigen Nachrichtenübermittlung steigen ständig an Bedeutung. Für optoelektronische und Hochfrequenzanwendungen setzt man zunehmend Verbindungshalbleiter (Compound Semiconductor) ein. Die hierfür verwendeten Materialien reagieren in der Wechselwirkung mit Licht wesentlich effektiver. Zudem besitzen sie eine größere Elektronenbeweglichkeit, was den Bau von Transistoren mit höheren Frequenzen ermöglicht. Damit sind diese Verbindungshalbleiter prädestiniert für den Einsatz in der Mobilfunkkommunikation, und für Glasfasernetze. Darüber hinaus werden die Verbindungshalbleiter für optoelektronische Anwendungen wie LEDs neue Märkte erobern.

7.2.7 Medizintechnik

Die Zuwachsraten im Bereich der Medizintechnik waren in den letzten Jahren sehr vielversprechend. Das weltweite Marktvolumen für Medizintechnik ist um schätzungsweise knapp 10 % pro Jahr gestiegen und erreichte damit weit überdurchschnittliche Steigerungsraten. Trotz vielfältiger staatlicher Regulierungen überall auf der Welt liegt eine so hohe Innovationsdynamik vor, wie sie von kaum einer anderen Branche erreicht wird. Auch für die Zukunft sind die Rahmenbedingungen günstig, weil die Weltbevölkerung beständig wächst, in den Schwellen- und Entwicklungsländern der Wohlstand zunimmt und in den Industrieländern ein kontinuierlicher Alterungsprozess der Bevölkerung festzustellen ist.
Im Bereich der Medizintechnik findet die Vakuuumwärmebehandlung im Glühen und Härten der wesentlichen korrosionsbeständigen Edelstähle (austenitisch; martensitisch) statt. Darüberhinaus werden Titanwerkstoffe weich-, rekristallisations- oder spannungsarmgeglüht.

7.2.8 Elektromobilität

In Zusammenhang mit der Elektromobilität wird seit vielen Jahren die Festoxidbrennstoffzelle (SOFC), eine Hochtemperatur-Brennstoffzelle, die bei einer Betriebstemperatur von 650–1000 C betrieben wird, genannt. Einen „Durchbruch“ in der Serien hat es bislang noch nicht gegeben. Aktuell gelten Brennstoffzellen aber als eine der aussichtsreichsten Techniken für die Autos von morgen. Peugeot beispielsweise plant die Serieneinführung im Jahr 2015. Derzeit ist die Lebensdauer der Zellen jedoch noch unbefriedigend: Sie reicht für maximal 2.000 Stunden aus, was etwa 100.000 Kilometer entspricht. Das Ziel der Automobilindustrie liegt bei 5.000 Stunden.

Werkstoff- und verfahrenstechnisch ist bei der Produktion der Brennstoffzelle vor allem der Sinterprozess des Elektrolyten interessant, einem Zelltyp bestehend aus keramischem Zirkoniumdioxid, der in der Lage ist, Sauerstoffionen zu leiten, für Elektronen jedoch isolierend wirkt. Die Kathode ist ebenfalls aus einem keramischen Werkstoff (strontiumdotiertes Lanthanmanganat) gefertigt, der für Ionen und für Elektronen leitfähig ist. Die Anode wird aus Nickel mit yttriumdotierten Zirkonoxid gefertigt, der ebenfalls Ionen und Elektronen leitet.

In breiter Serienfertigung ist zu erwarten, dass diese keramischen Komponenten auf dem Wege des Pulver-Spritzguss (Powder Injection Moulding (PIM) mit anschließendem Sinterprozess unter „oxidierender oder inerter“ Atmosphäre bei Temperaturen bis etwa 2000°C erzeugt werden. Ofentechnisch kommen aufgrund der extrem hohen Temperaturen „klassische“ Öfen mit Kanthal-Super-Elementen nur bis 1800°C zum Einsatz. Darüberhinausgehende Sintertemperaturen können nur in Vakuumöfen durchgeführt werden.

7.3    Anlagentechnik

Moderne Vakuumöfen zeichnen sich durch schnelle und homogene Abschreckgeschwindigkeit aus, durch Erfüllung der Vorgaben der NADCA Empfehlung 207-97, d.h. hohe  Temperaturhomogenität von +/- 3 K und das Zertifikat nach DIN 65570 für Luft- und Raumfahrt.

Abb. 8:          Standard-Vakuumofen (Quelle Rübig)
Vakuumöfen werden für Temperaturen bis 3000°C geliefert.
Abb. 9:          Vakuumhärteofen (Quelle ECM)
Abb. 10:        Modulares Vakuumhärtesystem ICBP (Quelle ECM)
Ein in den letzten Jahren erfolgreicher Markt lag in der Herstellung polykristallinen Silizium wird durch ECM.
Abb. 11:        Ofenanlage ECM zur Herstellung von polykristallinem Silizium (Quelle ECM)

Einkammer-Vakuumöfen sind in der Regel modular und vergleichsweise einfach aufgebaut, da die Bauteile keiner weiteren Chargierung innerhalb der Ofenanlage unterzogen werden. Für Mehrkammer-Vakuumanlagen oder verketteten Annlagensystemen gilt diese Aussage selbstverständlich nicht. Die Chargierung in Ein- oder Zweikammervakuumöfen erfolgt in der Regel manuell.
Bei Vakuum-Wärmebehandlungsprozessen wird nicht nur das Wärmebehandlungsgut mit den zugehörigen Chargiermitteln, sondern auch die Heizelemente und/oder die komplette Heizkammer der Prozeßumgebung ausgesetzt und auf die erforderliche Prozesstemperatur aufgeheizt (Kaltwandöfen). Die Auslegung der Heizkammer hinsichtlich verwendeter Materialien spielt daher eine entscheidende Rolle.
Beim Aufheizprozess in graphitisolierten Vakuum-Härteöfen wird ein beträchtlicher Bestandteil der zugeführten Energie und der Gas-Atmosphäre (bzw. Vakuum) in die „Tot“ bzw. nicht von der Charge eingenommenen Bereiche der Heiz- bzw. Vakuumkammer geleitet. Das Volumen insbesondere der Vakuumkammer sollte daher minimiert werden, um die Energie- und Abschreckeffizienz zu maximieren, d.h. während der Temperaturhaltephasen muss zugeführte elektrische Heizenergie Leerverluste ausgleichen. Bei anschließender Überdruckgasabschreckung wird wiederum mit hohem energetischen Aufwand die sowohl in der Charge als auch die in der Heizkammer gespeicherte Wärmeenergie abgebaut.
Als Isolationswerkstoff der Heizkammer von horizontalen Vakuum-Kammeröfen wird (abgesehen von Ganzmetallkammern für hochreine Vakuumprozesse) vornehmlich Graphitmaterial wegen der hohen Temperaturbeständigkeit und Formstabilität eingesetzt. Leerverluste der Heizkammer werden durch einen konstruktiv möglichst dichten Aufbau reduziert. Ein Isolationsaufbau mit verstärktem Querschnitt der Graphitfilzisolation erzielt eine zusätzliche Leerverlustminimierung während der Temperaturhaltephasen.
Der Aufbau einer Heizkammer, die in der Regel als „Modul“ ohne größeren montagetechnischen Aufwand in der Vakuumkammer installiert wird, wird in kubischer und zylindrischer Bauweise unterschieden. In Europa hat sich vor allem die kubische Heizkammervariante durchgesetzt.
Der Aufbau der Heizkammer lässt sich vor im Aufbau des Chargenherds, der Anordnung der Luken zum Abdichten und Abschrecken und der Türabdichtung (Labyrinth) unterscheiden. Hier liegen konstruktionsbedingt auch die entsprechenden Einsparmöglichkeiten.
Außerdem ist die elektrische Beaufschlagung und thermische Oberflächenbelastung ein entscheidendes Kriterium für die kostenreduzierte Auslegung der Vakuumheizkammer.
Im Folgenden sind die wesentlichen Heizkammeraufbauten der Hersteller dargestellt.

Abb. 12:        Heizkammer (Quelle Rübig)

Zylindrische aufgebaute Heizkammern resultieren vor allem auch noch aus der ursprünglichen Konstruktionen. Die Heizelemente sind entweder als „gebogene“ Graphitplatten ausgeführt oder aber als „gerade“ Graphitplatten in einer „vieleckigen“ Heizkammer platziert. Der grundsätzliche Vorteil dieser Konstruktion liegt im vergleichsweise großen Heizkammervolumen bezogen auf die äußere Vakuumkammer des Ofens.

Der Aufbau von „Ganzmetall-Heizkammern“ entspricht im Wesentlichen der von Graphit-Heizkammern, wobei die Isolierung über „Strahlbleche“ reflektieren erfolgt und nicht isolierend, wie dies bei Graphitisolierungen der Fall ist.

Die Gasabschreckeinrichtung im Vakuumofen hat die Aufgabe, die Bauteile nach der Austenitisierung oder Aufkohlung durchgeführten Gefügeumwandlung schnell abzuschrecken. Um eine möglichst gleichmäßige und verzugsminimierte Abschreckung sicherzustellen, kann der Gasstrom über spezielle Gasleiteinrichtungen über den gesamten, der Charge zur Verfügung stehendem Nutzraum, verteilt. Die hierfür in die graphitisolierte Heizkammer integrierten Gasleiteinrichtungen müssen dabei zum einen optimale Strömungsverhältnisse sicherstellen, zum anderen aber auch den Erfordernissen an geringer Eigenmasse bei gleichzeitig hohen Standzeiten gerecht werden.

Literatur:

[1]        IHT, Technische Datenblätter
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