Powered By Blogger

Dieses Blog durchsuchen

Mittwoch, 11. Februar 2015

Handbuch Induktives Löten von Hans-Joachim Peter (Fachbuchvorstellung)

Ein Handbuch mit dem gewissen Etwas

Vor den Weihnachtsfeiertagen 2014 ist mir das *Handbuch Induktives Löten* von Hans-Joachim Peter in die Hände gefallen. Wie man es mit Handbüchern oft macht, wollte ich es eigentlich in das Regal zu den anderen Handbüchern stellen, aber ich kenne und schätze den Autor und so warf ich am Wochenende vor Heiligabend einen Blick hinein. Eigentlich ging es mir nur darum kurz im Handbuch zu schmökern. Findet sich etwas neues, sind brauchbare Arbeitsschritte aufgeführt und verstehe ich überhaupt was da drinnen steht und ich wurde überrascht.

Kurz, gut und gleich vorweg
Dieses Buch kann ich empfehlen. Selbst mit wenig konkreten Kenntnissen kann man sich mit dieser Wissenssammlung einen Grundstock sowohl im Löten, als auch speziell mit induktiven Lötverfahren zulegen das, technisches Interesse vorausgesetzt, ansprechend und gut verständlich präsentiert wird.

Aber das ist doch nicht wirklich nur ein Handbuch
Auf nur 288 Seiten, was es durchaus zu einem handlichen Buch macht, wird man zuerst über das Löten und seine Arbeitsgruppen, auch schematisch gut erklärt, informiert – gefolgt von einem Rückblick in die Anfänge der Löttechnik, der das eigentlich trockene Thema gut auflockert. Kurz, bündig und auf das Wesentliche bezogen pumpt es Wissen in den Kopf. Die Aufteilung in kurze Themenkomplexe mach es leicht zu lesen, mit vielen erklärenden Bildern und Diagrammen hilft es den Text zu verdeutlichen und gibt auch einen Einblick in Arbeitsfelder, die man so nur selten zu Gesicht bekommt, geschweige denn verständlich erklärt, Herrn Peter ist das gelungen. Auch wenn das ausführliche Inhaltsverzeichnis und die vielen Praxisbeispiele das Werk wie ein Handbuch wirken lassen, der Inhalt übersteigt den üblichen Umfang bei weitem, ohne mit Überflüssigem die Seitenzahl aufzublähen. Besonders hilfreich war die alphabetisch sortierte Schlagwortübersicht, am Ende des Buches, mit der man sich an Themeninhalte heranarbeiten kann.

Löten ist ein wichtiger und verbreiteter Verfahrensschritt

Zu empfehlen ist dieses Sachbuch selbstverständlich allen, die sich im Bereich Löten weiterbilden wollen und man kann es im Rahmen von wissenschaftlichen Arbeiten zu Rate ziehen. Auch dem Anlagenbau bietet es reichlich Anregung und nicht zuletzt den Fachkräfte, die sich hier umfassend  informieren können. Technisch Interessierte werden mit dem *Handbuch Induktives Löten* nicht nur Freude beim Lesen haben, man kann die Inhalte praktisch umsetzen und damit die eigene Arbeit optimieren.

Der Autor ist für seine Fachkenntnis in Theorie und Praxis bekannt
Hans-Joachim Peter erlernte, vor seinem Studium des Maschinenbaus und der Fügetechnik, den Beruf des Werkzeugmachers, arbeitete bei Industrieunternehmen und war in Fachausschüssen tätig. Als kompetenter Dozent gefragt und durch seine Artikel in Fachzeitschriften bekannt, gehört sein „Handbuch“ in jede gut sortierte Bibliothek. Man kann so zwar nicht fünfzig Jahre Berufserfahrung konservieren, dass angesammelte Wissen allerdings bekommt man hier komprimiert zu sehen.

Das “Handbuch” kann man auf folgender Webseite für 56,00€ erwerben:

http://www.induktionsloeten-peter.de/shop.html
ISBN 978-3-00-048537-4


Der Herausgeber ist:
Hans-Joachim Peter
http://www.induktionsloeten-peter.de/home.html
Format:

163 x 229 mm (C5) gebunden in Farbe, Einband beschichtet 4 Seiten,
305 Seiten ohne Einband, deutsch, erschienen 2014 (c) bei Peter
_________________________________________________________________________________

Entbindern und Sintern pulvermetallurgischer Bauteile im Chargenbetrieb

Autor: Dr. Olaf Irretier, Industrieberatung für Wärmebehandlungstechnik IBW Dr. Irretier
(Kurzfassung)

x

Das Charakteristikum der Pulvermetallurgie ist die Tatsache, daß ein Metallpulver in einer Preßform verdichtet und anschließend einer Wärmebehandlung, dem sogenannten Sintern, unterzogen wird. Die Sintertemperatur liegt üblicherweise unterhalb der Schmelztemperatur der metallischen Hauptkomponente.

Großindustriell wird das Sintern in der Regel in Durchlauföfen durchgeführt. In Lohnbetrieben und Härtereien werden PM-Bauteile aufgrund der höheren Flexibilität jedoch überwiegend im Chargenbetrieb behandelt. Der vorliegende Beitrag gibt einen Einblick in die Entbinder- und Sintertechnik pulvermetallurgischer Bauteile und stellt eine Reihe von Öfen und Anlagen für den Chargenbetrieb vor.

1.      Einführung

Die Herstellung moderner pulvermetallurgisch erzeugter Bauteile geht bis weit in das vorherige Jahrhundert zurück. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden in Rußland Platinmünzen pulvermetallurgisch hergestellt. Wolframdrähte für Glühlampen, die um die Jahrhundertwende pulvermetallurgisch hergestellt wurden, stellten damals einen großen technischen Fortschritt dar. Hartmetalle auf Wolframkarbidbasis wurden in den 20er Jahren gesintert und wegen ihrer den Keramiken ähnlichen Herstellungsweise lange als Metallkeramiken bezeichnet. Große Fortschritte erlebte die Pulvermetallurgie vor allem wieder in den 70er Jahren als das Pulverschmieden und Heißisostatische Pressen Verbreitung fand. Auch wurden Mitte der 70er Jahre erstmals Schnellarbeitsstähle pulvermetallurgisch hergestellt [1]. Die 80er Jahren haben vor allem dem Metallpulverspritzguß (MIM) zum Durchbruch verholfen.

Heute sind PM-Bauteile aus der modernen Technik nicht mehr wegzudenken. Mit Hilfe der Pulvermetallurgie können Werkstoffe erzeugt werden, die schmelzmetallurgisch nicht zu erreichen sind. Die Vorteile liegen insbesondere in der geringen Anzahl an Gefügeeinschlüssen und -texturen und in der verbesserten Gefügehomogenität. Entwicklungen in Richtung höherer Bauteilkomplexität wie beim Metallpulverpritzguß, machen die Pulvermetallurgie zum Wettbewerber des Gießens.

2.      Werkstoffe und Bauteile der Pulvermetallurgie

Die Einsatzgebiete pulvermetallurgisch erzeugter Bauteile erstrecken sich durch die gesamte Technik. Herauszuheben sind vor allem Anwendungen im Fahrzeugbau, in Haushalts- und Elektrogeräten, im Maschinenbau und in Büromaschinen. PM-Teile werden auch aufgrund ihrer porösen Struktur als Filter zum Trennen von Flüssigkeiten oder als Drossel für Strömungen eingesetzt. Als Gleitlager, Ventilringe oder Nocken finden sie im Motorenbau Einsatz. Zahnräder, Schaltgabeln und Synchronringe werden als PM-Teile im Getriebe eingesetzt. Tellerräder und Kupplungen finden in Elektrowerkzeugen Verwendung.
Stähle, die mit Cu, Ni, Mo, P und C legiert sind, finden als pulvermetallurgische Werkstoffe die breiteste technische Anwendung. Als Nichteisenwerkstoffe haben sich vor allem Bronzen, Kupfer- und Messing in der PM bewährt. Al-PM-Bauteile werden in der Regel mit CuMg und SiMg legiert.

3.      Sintern von PM-Bauteilen

Sintern ist eine Wärmebehandlungsform, die unterhalb des Schmelzpunktes des Matrixwerkstoffes durchgeführt wird. Beim Sintern wachsen die Pulverpartikeln durch Diffusion und Kriechvorgänge zu einem Gerüst von Kristallen zusammen und geben dem Preßkörper seine gewünschte Bauteilfestigkeit.

Zum Sintern von PM-Stählen werden Temperaturen zwischen 1100 und 1250 °C gewählt. Nichteisenmetalle, wie Sinterbronze, -messing oder –aluminium werden aufgrund des niedrigeren Schmelzpunktes bei deutlich tieferen Temperaturen gesintert.

Bei Sintertemperaturen oberhalb des Schmelzpunktes spricht man von Flüssigphasensinterung. Bei bestimmten Stählen (Schnellarbeitsstähle) wird bei genauer Temperaturführung die Flüssigphase über längere Zeit aufrechterhalten. Dadurch kommt es zu einer Umlagerung und zu einer weiteren Verdichtung des Gefüges. Beim Flüssigphasensintern ist darauf zu achten, daß durch die große Schwindung kein Verzug der Preßteile auftritt.

Zum Erreichen einer Dichte bei Stählen von 7,3 bis 7,6 g/cm³ werden Teile oftmals zweifachgesintert. Bei Temperatur zwischen 800 und 900°C findet zunächst ein Vorsintern statt. Dabei werden die für ein anschließendes Zwischenpressen störenden Kaltverfestigungen abgebaut. Abschließend werden die Teile fertiggesintert.

3.1    Entbindern und Sintern bis 750°C

Gasdichte Wärmebehandlungsanlagen mit Umluftbetrieb und Schutzgasspülung werden eingesetzt, um ein oxidations- und entkohlungsfreies Entbindern und Sintern von Bauteilen zu ermöglichen. Zum Schutz gegen Oberflächenreaktionen werden inerte Gasen wie Stickstoff und Argon oder reduzierende Gase eingesetzt, wenn eine Entkohlung des Stahles vermieden werden soll.

Schutzgas-Luftumwälzöfen können als Mehrzweckanlagen für eine Vielzahl von Wärmebehandlungen bis 750 °C eingesetzt werden. So können nicht nur Bronzeteile bei diesen Temperaturen entbindert und gesintert werden, sondern auch PM-Stähle und Nichteisenwerkstoffe einer Glüh- und Anlassbehandlung nach dem Härten unterzogen werden.

Größere PM-Chargen werden vielfach in Schachtöfen mit hydraulischer Hubeinrichtung unter Schutzgas entbindert oder gesintert. Schachtofen weisen aufgrund ihrer Geometrie eine sehr gute Temperaturverteilung von besser ± 3°C auf. Eine optimale Luftumwälzung ist in der gasdichten Retorte des Schachtofens durch einen Luftleitzylinder garantiert.

Für Entbinderungsprozesse bei Temperaturen bis 700°C können diese Öfen mit einer speziellen Abgasreinigungsanlage ausgestattet werden. Die bei solchen Prozessen auftretenden Kohlenwasserstoffe (PVA, PEG, Polyglycol, Glycerin, etc.) werden in einem Katalysator thermisch in Kohlendioxid und Wasser zersetzt. Dem Katalysator ist ein Kondensators vorgeschaltet, der zu einer Verflüssigung und Separation der hochsiedenden Komponenten im Abgasstrom führt.
3.2    Vakuum- und Schutzgassintern bis 1200°C

Das Sintern unlegierter Eisenwerkstoffe und Nichtmetallsinterwerkstoffe wie Messing und Aluminium wird unter Vakuum- oder Schutzgasbedingungen bis 850°C durchgeführt. Aufgrund der relativ hohen Investitionskosten ist die Vakuum-Sintertechnik nur für große Betriebe mit großen Fertigungsstückzahlen interessant. Der vakuumdichte Ofen in Bild 5 bietet Betrieben und Forschungsinstituten mit kleinem und mittlerem Volumen eine Möglichkeit PM-Bauteile kostengünstig im Vakuum oder unter Schutzgas zu sintern. Mit Hilfe einer verfahrbaren Kammer können die Bauteile nach dem Sintern unter Schutzgaszufuhr aus dem Ofen herausgefahren und schnellstmöglich abgekühlt werden.

Zum Sintern von Legierungen bis 1200 °C werden auch vielfach Haubenöfen eingesetzt, die einen Betrieb von Hochvakuum bis Atmosphärendruck erlauben. Die Beschickung des in Bild 6 dargestellten Ofens kann über die absenkbare Bodenplatte realisiert werden. Durch Senken des Bodens, ist außerdem eine schnelle Abkühlung zum Chargenwechsel möglich. Die Temperaturverteilung innerhalb des Nutzraumes kann mit vertretbarem Aufwand bis zu ± 1 K zu erreichen.

3.3    Vakuum- und Schutzgassintern bis 1600°C

Das Sintern von Hartmetallen als Schneidwerkstoffe bei Temperaturen zwischen 1400 bis 1600°C ermöglicht der doppelwandige Ofen in Bild 7, der für den Hochvakuumbetrieb mit Molybdän-Heizelementen und einer Molybdän-Strahlblechisolierung ausgeführt ist. Der Ofen ist mit Sicherheitseinrichtungen wie Türverriegelung über Magnetschalter, Wasserdurchfluß- und Temperaturüberwachung, Drucküberwachung und Alarmabschaltung ausgestattet.

3.4    Vakuum- und Schutzgassintern bis 3000°C

Hauben- oder Kammeröfen mit Graphitheizung und –isolierung können unter Schutzgas bis 3000°C zum Sintern hochschmelzender Metalle (z.B. Molybdän, Wolfram) und Keramiken eingesetzt werden. Der in Bild 8 dargestellte Ofen wird zum Sintern nitridischer Bauteile bei Temperaturen bis 2400 °C verwandt. Beim Aufheizen auf Prozeßtemperatur werden organische Restbinder aus den Bauteilen ausgetrieben, die in einer dafür vorgesehenen Kühlfalle vor dem Gasausgang kondensiert werden. Die Anlage ist bis zu einem Druck von 10-4 mbar ausgelegt.

3.5    Drucksintern bis 2200°C

Zum Drucksintern hochschmelzender Metalle (z.B. Molybdän) oder Nitride bis 2200°C werden Kammeröfen mit Graphiteinbauten eingesetzt. Das bei hohen Temperaturen instabile Siliziumnitrid kann bei erhöhten Drücken und Temperaturen von 1750 bis 1780 °C gesintert werden. Der in Bild 9 dargestellte Drucksinterofen für den Laborbetrieb erfüllt diese Spezifikation. Er kann unter Vakuum bis 1800°C und unter Argon bis 2200°C betrieben werden und ist für einen Bereich von 0,1 bar bis 40 bar ausgelegt.

3.7    Katalytisches Entbindern und Sintern von MIM-Bauteilen

Ziel der MIM-Technik ist die Herstellung endformnaher komplexer Bauteile. Der MIM-Spritzguß verbindet dabei die Formgebungsmöglichkeiten des Kunststoffspritzguß mit denen der Pulvermetallurgie. Beim Metallpulverspritzguß (MIM) wird ein Metallpulver mit einem Binder zu einer homogenen Mischung verarbeitet und verspritzt. Der Binder hat nach dem Spritzgießen seine Aufgabe erfüllt und wird während der Entbinderung entfernt. Die Festigkeit erhalten die Bauteile in einem abschließenden Sinterprozeß.

Bei der katalytischen Entbinderung wird gasförmige Salpetersäure, HNO3, als Katalysator dem Trägergas Stickstoff beigemengt. Durch den Katalysator werden die langkettigen Bindermoleküle leichter aufgespalten, die direkt in den gasförmigen Zustand übergehen und mit dem Trägergas ausgetragen werden. Die katalytische Entbinderung läuft bis zu zwanzig mal schneller ab als konventionelle thermische Entbinderungen. Im anschließenden Sinterprozeß wird das Bauteil unter neutraler bzw. reduzierender Ofenatmosphäre zu einem kompakten metallischen Bauteil verdichtet. Durch Verwendung von Wasserstoff während des Sintervorganges, werden die Bauteile vom Kohlenstoff befreit [5].

Für die katalytische Entbinderung ist eine spezielle Anlagentechnik nötig. Um eine zündfähige Atmosphäre zu vermeiden wird der Ofen während des Aufheizens mit Stickstoff gespült. Bei Erreichen der Prozeßtemperatur, wird der Katalysator zudosiert. Katalytische Entbinderungen werden bei konstanter Temperatur durchgeführt. Das Abgas wird in einer Fackel mit Luftüberschuß verbrannt. (Bild 11).

4.      Glühen und Härten von PM-Teilen

In gleicher Weise wie das Glühen und Härten von Stählen und Gußbauteilen der Verbesserung der Festigkeitseigenschaften dient, können auch pulvermetallurgisch erzeugte Bauteile diesen Wärmebehandlungen unterzogen werden. Zur Verbesserung der Festigkeitseigenschaften werden PM-Stähle in der Regel einsatzgehärtet bzw. carbonitriert (siehe Bild 12). Die Aufkohlungstemperaturen liegen zwischen 800 und 900°C. Bei diesen Wärmebehandlungsverfahren gilt es jedoch die eingeschlossenen Poren zu berücksichtigen. So können sowohl die Wärmebehandlungsgase als auch deren Zersetzungsprodukte über die “innere” Oberfläche (Poren) in das Bauteil eindringen. Geschlossene, nicht zur Oberfläche geöffnete Poren sind dabei unwirksam.

Verunreinigungen (Rückstände aus Bearbeitungshilfsstoffen, Reinigern, Kalibrieröl, etc) aus vorrangegangenen Arbeitsschritten bei der Herstellung von PM-Bauteilen können für eine Wärmebehandlung störend wirken. Durch Verdampfen dieser Verunreinigungen unter Wärmebehandlungsbedingungen kann die Ofenatmosphäre stark beeinflußt werden. Eine der Wärmebehandlung vorgeschobene Reinigung sollte daher gründlich durchgeführt werden.

5.      Zusammenfassung

Die pulvermetallurgische Verarbeitung endformnaher Bauteile mit hoher Oberflächengüte hat gerade in den letzten Jahren einen erheblichen Zuwachs erreicht. Der wirtschaftlichen Fertigung dieser Teile kommt dabei eine besondere Aufmerksamkeit zu. Bei Herstellungsverfahren, die aus eben wirtschaftlichen Gründen ohne Nachverdichten arbeiten, stellt das Entbindern- und Sintern den abschließenden Verfahrensschritt dar und muß nicht zuletzt aus diesem Grund mit hoher Präzision durchgeführt werden.
Sowohl für die Entbinder- und Sintertechnik als auch für das Glühen und Härten pulvermetallurgischer Teile stellen die Unternehmen Nabertherm und Gero Hochtemperaturöfen eine Vielzahl an Ofen- und Anlagenkonzepten für den Chargenbetrieb zur Verfügung.

6.      Literatur

[1]        H. Silbereisen:
Zur Geschichte der Sinterstahlfertigung in Deutschland
PMI 16 (1984), S. 65-69 und S. 138-144

[2]        O. Irretier, et. al:
Wirtschaftlichkeit erhöhen beim Metallspritzen

Maschinenmarkt 103 (1997)44, S. 48-51
_________________________________________________________________________________

Auswahl von Wärmebehandlungsanlagen – eine Systematik

Autor: Dr.-Ing. Olaf Irretier, Industrieberatung für Wärmebehandlungstechnik IBW Dr. Irretier




















Einführung

Der Beitrag stellt eine Systematik zur Auswahl von Wärmebehandlungsanlagen dar. Es wird gezeigt, welche Ofentypen berücksichtigt werden können und welche technischen und kaufmännischen Daten für die Anlagenauslegung wichtig sind. Es werden mit der Maschinenfähigkeitsanalyse und der Wirtschaftlichkeitsanalyse zwei Methoden vorgestellt, die für eine systematische Nutzen/Kosten-Analyse relevant sind.

Die folgende Herangehensweise dient als Leitfaden und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie zeigt, wie komplex der Entscheidungsprozess bei der Auswahl von Wärmebehandlungsanlagen ist, der in der Regel nur in enger Zusammenarbeit mit dem Ofenbauer erfolgreich umgesetzt werden kann.

Die Wärmebehandlung von Bauteilen ist durch eine Vielzahl von Einflussgrößen geprägt. Geringe Störgrößen haben in der Summe bereits erhebliche Auswirkungen auf das Wärmebehandlungsergebnis. Doch nicht nur der eigentliche Wärmebehandlungsprozess erfordert eine korrekte und reproduzierbare Vorgabe von Prozessparametern, auch die für die Auswahl einer Wärmebehandlungsanlage wesentlichen Fakten haben systematisch erfasst und richtig bewertet zu werden. Im folgenden Beitrag wird der Ansatz unternommen, die für die Auswahl und den Kauf einer Wärmebehandlungsanlage relevanten Parameter festzulegen. Es werden für die systematische und nach Möglichkeit objektive Bewertung dieser Fakten auch die Methoden der Maschinenfähigkeits- und der Wirtschaftlichkeitsanalyse herangezogen
Wärmebehandlung von Metallen

Die folgende Auflistung zeigt in einer groben Übersicht den Umfang der für die Wärmebehandlung von Metallen relevanten Verfahren. Unterschiedliche Ofenatmosphären und Drücke (Vakuumwärmebehandlung) sind unberücksichtigt. Außerdem sind lediglich die für die Prozesse üblicherweise verwendeten Maximaltemperaturen angegeben. Allein bei der Auswahl ergänzender oder konkurrierender Wärmebehandlungsverfahren treten in der Wärmebehandlung eine Vielzahl von Einflussgrößen bzw. Kombinationsmöglichkeiten auf, die alle für die Ermittlung eines optimalen thermischen Prozesses berücksichtigt werden müssen.

Wärmen

Trocknen bis 300°C

Vorwärmen bis 900°C

Warmhalten bis 900°C

Erwärmen bis 1100°C

Pulvermetallurgie

Entbindern bis 750°C

Sintern bis 1500°C

Wärmebehandeln

Erholungsglühen bis 400°C

Spannungsarmglühen bis 650°C

Rekristallisationsglühen bis 650°C

Weichglühen bis 900°C

Homogenisieren bis 950°C

Normalglühen bis 950°C

Normalglühen bis 950°C

Grobkornglühen bis 1050°C

Austenitisieren bis 1050°C

Diffusionsgl. bis 1200°C

Blankglühen bis 1200°C

Härten

Randschichthärten

Induktionshärten

Flammhärten

Einsatzhärten bis 950°C

Durchhärten

Altern bis 500°C

Anlassen bis 650°C

Aushärten bis 700°C

Thermoch. Wärmebehandlung

Nitrieren bis 580°C

Nitrocarburieren bis 580°C

Aufkohlen bis 950°C

Borieren bis 950°C

Chromieren bis 1000°C


Beschichten

Met. Beschichten (Verzinken)

Nichtmet. Beschichten

Brünieren bis 150°C

Lacktrocknen bis 250°C

Bläuen bis 300°C

CVD, PVD bis 1200°C

Löten

Weichlöten bis 450°C

Hartlöten bis 700°C


WB von NE-Werkstoffen

Aluminium

Auslagern bis 220°C

Spannungsarmgl. bis 350°C

Weichglühen bis 420°C

Lösungsglühen bis 540°C

Kupfer

Lösungsglühen bis 800°C

Auslagern bis 280°C

Messing

Glühen bis 700°C

WärmebehandlungsanlagenBei der Bauart einer Wärmebehandlungsanlage oder Industrieofen (gem. VDMA) kann grundsätzlich in kontinuierlich und diskontinuierlich unterschieden werden.Industriell und gewerblich genutzte Erwärmungseinrichtungen, um thermische Vorgänge und im Bauteil oder an seiner Oberfläche ablaufen zu lassen, sind grundsätzlich wie folgt unterteilt:
  • Ofenart (d.h. von Wänden umschlossener Raum)
  • Bauteilerwärmung (d.h. Lagerung/Herd und Transport)
  • Energie-/Wärmezufuhr (d.h. Beheizung/Kühlung und Isolierung)
  • Hüllmittel (d.h. Atmosphäre und Druck)
Die Auswahlkriterien stellen sich dabei wie folgt dar:Bild 1:
Auswahlkriterien für Wärmebehandlungsanlagen


Durchstoss Drehherd Rollenherd Band Kammer
Bauteile Stapel
Schüttung
Verfahren Thermisch
Thermo-chemisch
Härten Charge
Einzel
Presse
Flexibilität Hoch
Mittel
gering
Automatisierung Hoch
Mittel
Gering
Kosten Hoch
Mittel
Gering

Bild 2:            Wärmebehandlungsanlagen im VergleichDiskontinuierliche

WärmebehandlungsanlagenDiskontinuierlichen Ofenanlagen können gem. folgender Tabelle eingeteilt werden. Auch hier kann eine weitere Untergliederung der Ofentypen erfolgen, wie am Beispiel des Kammerofens gezeigt ist:

Kammerofen
Herdwagenofen
Schachtofen
Haubenofen
Vakuumofen
Laborofen
Trommelofen
Induktionsofen
Wirbelbettofen
Elevatorofen
Oberflächenbeschichtungsanlage

Tabelle 1:     Diskontinuierliche Öfen


Einkammerofen
Doppelkammerofen
Mehrkammerofen
Kammerschmiedeofen
Muldenofen
Kammerofen für Gasaufkohlung
Kammertrockenofen
Hubherdkammerofen

Tabelle 2:     Kammeröfen

Der Umfang dieser Auflistung lässt erahnen, wie schwierig die Auswahl eines optimalen Anlagetyps ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Frage der Atmosphäre (Normalatmosphäre oder Vakuum) oder herstellerbedingte Modifikationen und technologische Entwicklungen zu einer weiteren Zunahme unterschiedlicher Ofentypen führen werden. Bild 3:            Atmosphären – Mehrzweckkammerofenlinie (Quelle IBW Dr. Irretier / Aichelin)Bild 4:            Modulare Vakuumofenlinie (Quelle IBW Dr. Irretier / ECM)Über die besonderen Qualitäts- und Alleinstellungsmerkmale im Industrieofenbauist bereits in einer Vielzahl von Präsentationen und Veröffentlichungen „bestens“ berichtet worden und wird hier nur kurz angesprochen. Es ist sicher treffend, dass
  • sich ein Ofenherd aus SIC-Schienen,
  • eine hohe Temperatur- und Atmosphärengleichmäßigkeit,
  • ein nicht permanent im Heiß-Bereich befindliches Transportsystem oder auch
  • ein großes Ölbadvolumen, hohe Strömungsgeschwindigkeiten oder auch gleichmäßige Abschreckung
die Qualität einer Mehrzweckkammerofenanlage grundsätzlich ausmachen.Für alle Ofenanlagen gilt gleichermaßen die Verwendung „optimaler“ Isoliermaterialien, die
  • eine gute Isolierwirkung/Reduzierung Wärmeverluste,
  • geringe Reaktionen mit Ofenatmosphäre aufweisen,
  • hohe Temperaturwechselbeständigkeit besitzen,
  • schwindungsarm sind,
  • hohe Maßgenauigkeit bei geringen Fugenmaßen aufweisen und
  • geringe Wärmespeicherung besitzen.
Bei der Auswahl eines Ofentyps ist auch die Art der Energie- bzw. Wärmeerzeugung zu berücksichtigen. Vor allem die Vor- und Nachteile der überwiegend im Einsatz befindlichen elektrisch widerstands- und brennstoffbeheizten Anlagen müssen genau ermittelt und abgewogen werden. Aber auch Erwärmungsverfahren wie Induktion, Laser, Elektronenstrahl und Mikrowellen werden zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen und die Anzahl der zu berücksichtigenden Verfahren weiter vergrößern.

gasbeheizt
elektrisch beheizt
indirekt
direkt
Offene Gasbrenner
Gasbrenner im Strahlrohr
indirekt
direkt
Heizelemente im Strahlrohr
Offene Heizelemente

Bild 5:            Beheizungssysteme

Die Wahl oder Auswahl eines Schutzgases ist für den Prozeß ebenfalls von entscheidender Bedeutung.Die Vorteile der Schutzbegasung sind:
  • keine Entkohlung des Bauteils
  • keine Verzunderung
  • Bauteilgeometrie bleibt erhalten
  • Reduzierung Nachbearbeitung, kein Strahlen
  • geringerer Wartungsaufwand der Anlage
  • geringerer Ofenverschleiß (Dichtungen, Antrieben, Rollen)
Die Nachteile der Schutzbegasung sind:
  • Begasungseinrichtung (Tank, Station, Mess- und Sicherheitstechnik)
  • Ofengehäuse und Durchführungen (gasdicht)
  • Strahlrohrbeheizung (geringere Oberflächenbelastung)
  • Gehäuse- und Flanschkühlung
  • Ofenschleuse (Vakuum- oder Spülgas)
Kontinuierliche WärmebehandlungsanlagenUnter kontinuierlichen Öfen werden u.a. die in Tabelle 1 zusammengefassten Anlagentypen verstanden, die nach einer Studie des VDMA, wie hier exemplarisch für den Durchstossofen gezeigt, weiter klassifiziert werden können (Tabelle 2).

Durchstossöfen
Durchziehöfen
Rollenherdöfen
Bandöfen
Tunnelöfen
Drehrohröfen
Drehherdöfen
Hubbalkenöfen
Hängebahnöfen
Schüttelherdöfen
Paternosteröfen

Tabelle 3:     Kontinuierliche Öfen


Dreherddurchstossofen
Durchstoss-Hubtransportofen
Flachschalenofen
Schubplattenofen
Kippschalenofen
Schubschalenofen
Durchstoss-Gasaufkohlofen

Tabelle 4:     Durchstossöfen
Beurteilungskriterien für Wärmebehandlungsprozesse
Das bei der Auswahl des Wärmebehandlungsprozesses entscheidende Kriterium ist letztendlich die Bauteileigenschaft bzw. –qualität. In Tabelle 5 sind die werkstück- und bauteilbedingten Beurteilungskriterien und deren Analyse- und Messverfahren dargestellt, die für den Anlagenbetreiber von primärer Bedeutung sind.

Beurteilungskriterium Wärmebehandlungsgut Analyseverfahren.
Härte
Härteprüfung
Zähigkeit Kerbschlagbiegeversuch
Zugfestigkeit Zugversuch
Biegefestigkeit Biegeversuch
Bruchdehnung Zugversuch
Dauerfestigkeit Dauerschwingversuch
Druckfestigkeit Druckversuch
E-Modul Zugversuch
Scherfestigkeit Scherversuch
Warmfestigkeit Warmzugversuch
Defekte, Risse Ultraschallprüfung
Elektrische Eigenschaften Diverse Verfahren
Gefüge Metallographie
Korrosionsbeständigkeit Salzsprüchtest
Magnetische Eigenschaften Diverse Verfahren
Oberflächenzustand, Reinheitsgrad Diverse Verfahren
Optische Eigenschaften Diverse Verfahren
Randschichtzusammensetzung GDOS, ESCA
Rauheit Rauheitsprüfung

Tabelle 5:     Beurteilungskriterien wärmebehandelter Bauteile


Verfahrensbedingte Beurteilungskriterien
Anschaffungskosten
Betriebskosten
Lebensdauer
Automatisierbarkeit
Design, Einfache Bedienung
Finazierungsmodelle (Betreibermodell, Leasing)
Flexibilität, Modular erweiterbar
Inbetriebnahme, Schulung
Internetunterstützten Service
Komplettlösungen
Platzbedarf
Prozessdatenmonitoring zur Qualitätsdokumentation
Qualität, Sicherheit
Recyclingfähigkeit
Teleservice/Fernüberwachung
Umweltvertäglichkeit
Verfügbarkeit
Wartungsfreundlichkeit

Tabelle 6:     Verfahrensbedingte Beurteilungskriterien

Als verfahrensbedingte Beurteilungskriterien sind von Anschaffungs- und Betriebskosten bis hin zu Verfügbarkeit und Wartungsfreundlichkeit eine Vielzahl von Bewertungsgrößen zu berücksichtigen.Die in den folgenden Kapiteln dargestellten Systematiken zur Auswahl des Wärmebehandlungsverfahrens und der Ofenanlage werden im Folgenden dargestellt:Auswahl und Auslegung einer OfenanlageFür die technische Auslegung einer Wärmebehandlungsanlage sind eine Reihe von Anforderungen bzw. Spezifikationen zu klären. Der Ausschuss für wirtschaftliche Fertigung AWF e.V. hatte bereits 1981 eine sogenannte Ofenkarte für brennstoff- oder elektrisch beheizte Industrieöfen entwickelt (AWF 3056), in der die für die Anlagenauslegung wesentlichen Spezifikationen festgelegt werden können.

Bild 6:            Ofenkarte für Brennstoff- oder elektrisch beheizte Industrieöfen

Die Festlegung der Funktionen und der Spezifikationen sind Vorraussetzung für eine detaillierte Angebotserstellung und Basis für die vorgestellten Analysen zur Maschinenfähigkeit und zur Wirtschaftlichkeit von Wärmebehandlungsanlagen.

Die kaufmännischen Entscheidungskriterien, die sich im Wesentlichen auf die Kosten pro Bauteil bzw. Gewicht reduzieren lassen, hängen neben den verfahrenstechnischen Wärmebehandlungsparametern vor allem auch von der Stückzahl der Bauteile und der verwendeten Ofenanlage ab.

Bild 7:            Einfluss der Stückzahlen auf die Wirtschaftlichkeit verschiedener Ofentypen

Bild 8:            Schema Kammerofenlinie (Quelle Aichelin)

Bild 9:            Schema Rollenherdofenanlage (Quelle Aichelin)

Bild 10:         Schema Durchstossofenanlage (Quelle Aichelin)


Kammerofen Rollenherdofen Durchstoßofen
Chargierung Manuell Automatisiert Automatisiert
Personaleinsatz Hoher Personalaufwand, Geringer Personalaufwand, Geringerer Personalaufwand,
Platzbedarf hoher Platzbedarf Geringerer Platzbedarf hoher Platzbedarf
Schutzgasbetrieb anlagentechnisch aufwendig einfach möglich einfach möglich
Produktqualität Gute Produktqualität, Fehleranfälligkeit hohe, gleichbleibende Produktqualität durch Automatisierung hohe, gleichbleibende Produktqualität durch Automatisierung
Flexibilität Hoch, leicht anpassbar für andere Glühverfahren Einschränkungen durch fixe Ofengeometrie Einschränkungen durch fixe Ofengeometrie
Erweiterbarkeit Möglich, modular erweiterbar bedingt möglich bedingt möglich
Chargiermittel Relativ massiv, vergleichsweise hoher Verbrauch Leichtere Ausführung möglich, längere Lebensdauer Relativ massiv, vergleichsweise hoher Verbrauch
Engineering/Ausführung standardisierte Technologie, geringer Planungsaufwand Kundenspezifische Anlagenauslegung, aufwendige Anlagentechnik Kundenspezifische Anlagenauslegung, aufwendigere Anlagentechnik
Investitionskosten Bei niedriger Durchsatzleistung günstiger Bei hoher Durchsatzleistung  günstiger Bei hoher Durchsatzleistung  günstiger
Betriebskosten hoch geringer höher

Tabelle 7:     Gegenüberstellung Kammer,- Rollenherd- und Durchstossofen

Die Annahmen für eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der genannten Ofenanlagen sind im Folgenden aufgestellt (Vortrag Aichelin HK Wiesbaden 2009):

Jahresarbeitszeit:                           netto 6000 h/a, standby 1000 h/a
Abschreibung:                                10 Jahre, Zinsen 5 %
Personalkosten:                              50.000.- € p.a.
Wartungskosten:                            2 % der Investitionssumme
Kosten Aufstellungsfläche:          120 €/m² p.a.
Kosten                                              Strom                         9,1 €-Cent/kWh
Gas                3,7 €-Cent/kWh
Stickstoff       11 € Cent/m³
(spezifische Verbräuche der betrachteten Anlage,
Chargiermittel nicht berücksichtigt)
Leistungsvergleich:                                    Kammerofenanlage 1000 kg/h
Rollenherdofenanlage 3000 kg/h
Durchstoßofenanlage 1000 kg/h
Betriebskosten Kammerofen€-Cent/kg Rollenherdofen€-Cent/kg Durchstoßofen€-Cent/kg
mit Schutzgasmit Invest-/ Personalkosten 9,2 17,6
mit Schutzgasohne Invest-/Personalkosten 3,2 3,7
ohne Schutzgasmit Invest-/Personalkosten 17,4 8,1 16,4
ohne Schutzgasohne Invest-/Personalkosten 3,8 2,7 3,2

Tabelle 8:     Wirtschaftlichkeitsvergleich von Ofenanlagen

Qualität von Ofenanlagen – Maschinen- und Prozeßfähigkeit

Der Betreiber von Wärmebehandlungsanlagen erwartet zweifelsfrei ein Produkt, um hochwertige Bauteile glühen und härten zu können. Inwieweit eine Ofenanlage seinen Anforderungen gerecht wird, kann mit den statistischen Kennwerten der Maschinen- oder Prozeßfähigkeit systematisch ermittelt und festgelegt werden.

Mit der in diesem Zusammenhang stehenden Maschineneignungsprüfung wird die Fähigkeit ermittelt, gewisse Anforderungen zu erfüllen. Bei abtragenden Bearbeitungsmaschinen lassen sich zur Güteprüfung der Anlage beispielsweise Parallelitäts- und Toleranzkriterien, die in speziellen Prüfnormen (DIN 8601 bis DIN 8668) festgehalten sind, quantifizieren.

Wie aber bewertet der Wärmebehandler die Qualität seines Ofens? Die für den Industrieofenbau relevante Norm DIN 17052–1 legt als Qualitätskriterium die Temperaturgleichmässigkeit von Wärmebehandlungsöfen fest. Demnach wird in Güteklassen A, B, C unterteilt.

Die nordamerikanische Automotive Industry Action Group (AIAG) erstellte CQI-9 (Continous Quality Improvement) wird zukünftig eine erhebliche Anforderungen an Ofenbau und Betreiber stellen. Ein Fragen- und Forderungskatalog bezüglich der eingesetzten Ofentechnik und Verfahren ist Basis dieses Regelwerkes und veranlasst die Unternehmen im Rahmen ein jährliches Selbstaudits Abweichungen vom Standard aufzuzeigen und Maßnahmen festzulegen und auch deren Wirksamkeit zu überprüfen.

Basis der CQI-9 sind die in der Aerospace Material Specification (AMS) 2750D enthaltenen Vorgaben bezüglich der Genauigkeit (SAT) und Temperaturgleichmäßigkeit (TUS) von Industrieöfen und weiter die Vorgabe hinsichtlich Verwendung der Meßsysteme und der Häufigkeit der durchzuführenden Messungen.

Die Aerospace Material Specfication AMS 2750 D stellt hohe Anforderungen an Thermoprozessgeräte, die in der Wärmebehandlung zur Anwendung kommen. Dieses sind insbesondere Thermoelemente, allgemeine Meßinstrumente, Systemgenauigkeitsprüfungen (System Accuracy Test – SAT) für Thermoprozessgeräte und die Prüfung der Temperaturgleichmäßigkeit (Temperature Uniformity Surveys – TUS).

Mithilfe der (SAT) zertifizierten Instrumente soll sichergestellt werden, dass ein authentifizierter Nachweis der Instrumentengenauigkeit innerhalb eines definierten Toleranzrahmens vorliegt. Die Prüfungsergebnisse müssen gemäß AMS 2750 in einer normierten Form erfasst werden.

Die eingesetzten Prüfinstrumente müssen vorher eine vollständige SAT-Kalibrierung durchlaufen, bevor sie in Prozessen eingesetzt werden können. Dabei sind die SAT in vorgeschriebenen Abständen in Abhängigkeit der eingeteilten Ofenklassen monatlich, vierteljährig oder halbjährig durchzuführen (Näheres siehe AMS 2750 D und www.aerospace.sae.org). Durch Dokumentation muss außerdem nachgewiesen werden, dass die Meßinstrumente den Genauigkeitsanforderungen der AMS 2750D erfüllen.

Die Genauigkeitstoleranz der Meßsysteme spielt bei der AMS 2750D eine entscheidende Rolle. Die Kalibriergenauigkeit der Geräte darf dabei +/- 1,0 Grad F (+/- 0,6 Grad C) oder +/- 0,1% des Messwerts in Grad F nicht überschreiten.

Die Datenaufzeichnung muss mit einer Kalibriergenauigkeit von +/- 2 Grad F (+/- 1,1 Grad C) erfolgen. Die maximal zulässige SAT-Gesamtdifferenz des Ofens ist nach Ofenklasse definiert:

Ofenklasse 1
Maximale SAT-Gesamtdifferenz +/- 2 Grad F (+/- 1,1 Grad C) oder 0,2 % des Messwerts (je nachdem, was größer ist). Maximal zulässige SAT-Anpassung +/- 1,5 Grad C.

Ofenklasse 2
Maximale SAT-Gesamtdifferenz +/- 3 Grad F (+/- 1,7 Grad C) oder 0,3% des Messwerts (je nachdem, was größer ist). Maximal zulässige SAT-Anpassung +/- 3,0 Grad C.

Ofenklasse 3
Maximale SAT-Gesamtdifferenz +/- 4 Grad F (+/- 2,2 Grad C) oder 0,4% des Messwerts (je nachdem, was größer ist). Maximal zulässige SAT-Anpassung +/- 5,0 Grad C oder +/- 0,38% der Betriebstemperatur.

Ofenklasse 4
Maximale SAT-Gesamtdifferenz +/- 4 Grad F (+/- 2,2 Grad C) oder 0,4% des Messwerts (je nachdem, was größer ist). Maximal zulässige SAT-Anpassung +/- 6,0 Grad C oder +/- 0,38% der Betriebstemperatur.

Ofenklasse 5
Maximale SAT-Gesamtdifferenz +/- 5 Grad F (+/- 2,8 Grad C) oder 0,5% des Messwerts (je nachdem, was größer ist). Maximal zulässige SAT-Anpassung +/- 7,0 Grad C oder +/- 0,38% der Betriebstemperatur.

Ofenklasse 6
Maximale SAT-Gesamtdifferenz +/- 10 Grad F (+/- 5,6 Grad C) oder 1,0% des Messwerts (je nachdem, was größer ist). Maximal zulässige SAT-Anpassung +/- 0,75% der Betriebstemperatur.

Die AMS 2750 D gibt in diesem Zusammenhang weiter vor, dass die Kalibrierung der Instrumente nach NIST oder einem gleichwertigen nationalen Standard erfolgen muss. Der grundsätzliche Sinn und Zweck der Systemgenauigkeitsprüfung liegt darin, die Abweichung zwischen dem Prüfinstrument und dem akkreditierten Kalibrierinstrument zu ermitteln, so dass eine Rückverfolgbarkeit gewährleistet ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Abweichung innerhalb der in AMS 2750 D niedergelegten Toleranzen liegt.

Gemäß AMS 2750 D werden Toleranzen in Grad Fahrenheit angegeben und auf eine Dezimalstelle genau in Grad Celsius umgerechnet. Bei der Verwendung von Instrumenten in Öfen insbesondere der Klassen 1 und 2 ist daher Sorgfalt geboten. Es ist sicherzustellen, dass sich die Instrumente für den gewünschten Betriebsbereich genau konfigurieren lassen. Die erforderliche Genauigkeit für die Anzeige von Kalibrierfehlern kann die Verwendung von Instrumenten mit vierstelligen Anzeigen z.B. auf maximal 999,9 Grad C beschränken.

Die Temperaturgleichmäßigkeit spielt im Industrieofenbau eine wesentliche Rolle. Hier zeigt sich in besonderem Maße, ob durch angepasstes Ofendesign ein geometrisch optimierter Aufbau der Heizkammer und eine Anpassung der Heizelemente an die Anforderungen vorliegt. Gemäß AMS 2750D wird entsprechend der erreichten Temperaturgleichmäßigkeit der Ofen in entsprechende Klassen eingeteilt.
Es gelten dabei folgende (Temperaturgleichmäßigkeits-) TUS-Toleranzen (Messung gem. DIN ISO 17052-2):

Ofenklasse 1:  +/- 5 Grad F oder +/- 3 Grad C
Ofenklasse 2:   +/- 10 Grad F oder +/- 6 Grad C
Ofenklasse 3:   +/- 15 Grad F oder +/- 8 Grad C
Ofenklasse 4:   +/- 20 Grad F oder +/- 10 Grad C
Ofenklasse 5:   +/- 25 Grad F oder +/- 14 Grad C
Ofenklasse 6:   +/- 50 Grad F oder +/- 28 Grad C

Die Qualität von Wärmebehandlungsanlagen ausschließlich von der erreichten Temperaturgleichmäßigkeit abhängig zu machen ist nicht ausreichend. So sind in der Härtepraxis beispielsweise der Verzug, die Oberflächenhärte oder auch die Zähigkeit zur Beurteilung der Qualität des Bauteils und somit des Verfahrens wesentlich wichtiger als die Temperaturverteilung im Ofen.

Fähigkeitskennwerte, die beispielsweise aus der erreichten Härte resultieren, setzen für Maschinen und Anlagen statistische Toleranzgrenzen für ein bestimmtes Merkmal voraus. Die Toleranz der Messergebnisse eines charakteristischen Merkmals wird demnach zum sechsfachen der tatsächlichen Streuung des Prozesses ins Verhältnis gesetzt. Dabei wird davon ausgegangen, dass zu 99,37 % die Messwerte innerhalb der erlaubten Toleranz liegt.

Fähigkeitskennwert C = ,
mit Toleranz = Oberer Grenzwert – unterer Grenzwert
68,26 %
95,44 %
99,73 %
99,89 %
2s
4s
6s
8s
UGW
OGW
Toleranz
Zum besseren Verständnis sei auf die Grundlagen der Statistik (Normalverteilung nach Gauß) hingewiesen.

Bild 11:         Normalverteilung nach Gauß

Ein Fähigkeitskennwert von 1 für einen Härteofen würde somit bedeuten, dass von 1000 wärmebehandelten und geprüften Teilen 2,7 Teile ein Merkmal aufweisen (z.B. Bauteilverzug (oder Härte bzw. Zähigkeit), das außerhalb der Toleranz liegt. (Bei C = 1 ist T = 6 s = 99,73 %, d.h. 0,27 % @ 2,7 Teile von 1000 liegen außerhalb der Toleranz). Bei einem Fähigkeitskennwert von 2 ist die geforderte Toleranz doppelt so groß, d.h um 100 % größer als die Streuung.

Diese Betrachtungsweise ist abhängig vom statistischen Verteilungsmodell, das nach wissenschaftlichen Untersuchungen nur zu etwa 2 % der Normalverteilung entspricht. Die Abweichungen von der Normalverteilung werden über den kritischen Fähigkeitsindex Ck berücksichtigt. Erste Einflussgröße auf den Fähigkeitsindex ist die Betrachtungseinheit.

Die Maschinenfähigkeit ist somit als das Verhältnis der Toleranz zur Produktionsstreuung eines Merkmals einer bestimmten Wärmebehandlungscharge anzusehen. Faktoren wie Chargen-Effekte, Temperaturinhomogenitäten und Qualifikation des Wärmebehandlungspersonals werden nicht berücksichtigt. Ein Stichprobenumfang wird in der Regel als ausreichend angesehen, so daß die Maschinenfähigkeit auch als eine Art Kurzzeitprozeßfähigkeit angesehen werden kann, obwohl die Maschinenfähigkeit von Wärmebehandlungsanlagen per Definition die Fähigkeit eines Ofens beschreibt, eine bestimmte Bauteileigenschaft unter Idealbedingungen zu erreichen.
Der kritische Fähigkeitskennwert berücksichtigt die Lage der Verteilung im Toleranzfeld:

Kritische Fähigkeit Ck =  =
UGW
OGW
Toleranz
Mittelwertkritische Verteilung

Bild 12:         Kritische Verteilung

Die Prozeßfähigkeit berücksichtigt im Gegensatz zur Maschinenfähigkeit die prozessbeeinflussenden Größen wie z.B. Temperatur- oder Atmosphäreninhomogenitäten aber auch fertigungsbedingte Einflüsse wie Oberflächenrauheit und Reinigungszustand. Damit beschreibt die Prozessfähigkeit die Beherrschbarkeit des gesamten Wärmebehandlungsprozesses.

Bild 13 zeigt zusammenfassend die Bewertung von Fähigkeitskennwerten (Maschinen- oder Prozeßfähigkeit).

UGW
OGW
Toleranz
C = 2,0; Ck = 2,0
C = 1,33; Ck = 1,33
C = 1,33; Ck = 1,1

C = 1,33; Ck = 0,8

C = 0,8; Ck = 0,5
Bild 13: Bewertung von Fähigkeitskennwerten

Wie ist nun mit einem solchen Beurteilungsmodell praktisch zu arbeiten? In Lastenheften der Ofenbauer wird heute noch auf die Angabe der Maschinenfähigkeitwerte verzichtet. In anderen Technologiebereichen (z.B. spanende Fertigungsverfahren) werden heute nicht selten Maschinenfähigkeitwerte von 1,33 oder 1,67 gefordert. In den wenigsten Fällen sind jedoch die spezifischen Merkmale definiert, für die gewünschte Maschinenfähigkeit erreicht werden muß. Eine generelle Aussage bezüglich eines Kennwertes von 1,33 führt spätestens bei der Ab- und Inbetriebnahme zu entsprechenden Diskussionen. Es ist daher erforderlich, die relevanten und kritischen Merkmale festzulegen.

In gleicher Weise ist mit den Systemgrenzen der Betrachtung zu verfahren. So ist es für einen Ofenbauer nahezu unmöglich einen Maschinenfähigkeitskennwert von 1,33 zu erreichen, wenn er keinen Einfluss auf den Werkstoff, die Bauteiloberfläche oder die Beladung des Ofens hat. Vor diesem Hintergrund muss immer sehr kritisch geprüft werden, welchen Nutzen Maschinenfähigkeitszusagen haben, die einen idealisierten Zustand frei von Einflussgrößen zugrundelegen. Prozessfähigkeitskennwerte hingegen berücksichtigen Einflussgrössen. Es wird aber nur schwer vom Ofenbauer zu erwarten sein, eine Garantie bezüglich nicht beeinflussbarer Umgebungsgrößen und deren Auswirkungen auf seine Anlage abzugeben.
Nutzwert-/Wirtschaftlichkeitsanalyse

Nutzwert-/Wirtschaftlichkeitsanalysen sind auch unter dem Begriff Nutzwert-Kosten-Analyse bekannt und finden heutzutage in nahezu allen Bereichen der Technik Verwendung. Sie vereinfachen eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Alternativen, selbst dann wenn eine Vielzahl von Kriterien, die nicht oder nur mit unverhältnismässig hohem Aufwand monetär quantifiziert werden können, erfasst werden müssen.

Eine Analyse besteht in der Regel aus drei Teilen, der Wirtschaftlichkeitsrechnung, der Nutzwertanalyse sowie der Gesamtbewertung. Sämtliche monetär quantifizierbare Kriterien werden in dem Teil Wirtschaftlichkeitsrechnung berücksichtigt. In der Nutzwertanalyse werden alle monetär nicht quantifizierbaren Kriterien bewertet, z.B. auch die Erkenntnisse aus der Maschinenfähigkeitsanalyse. Aus den Ergebnissen der Wirtschaftlichkeitsrechnung und der Nutzwertanalyse wird schliesslich in der Gesamtbewertung das individuelle Testergebnis und somit die Rangfolge der ausgewählten Wärmebehandlungsanlagen abgeleitet.

Eine Wirtschaftlichkeitsrechnung ist für Investitionsobjekte als alleinige Entscheidungsgrundlage oft nicht ausreichend. Deshalb wird in der Regel zusätzlich noch eine Nutzwertanalyse durchgeführt. In der Nutzwertanalyse werden Kriterien berücksichtigt, die von wirtschaftlicher Bedeutung sind, sich aber nicht oder nur mit unvertretbar hohem Aufwand monetär quantifizieren lassen. Mit Hilfe der Nutzwertanalyse lässt sich eine Bewertung von Lösungsalternativen anhand von Kriterien vornehmen. Eine Umrechnung in Geldwerte ist nicht nötig. Die Alternative mit dem höchsten Nutzwert erfüllt die Präferenzen des Entscheidungsträgers am besten. Das Vorgehen ist in folgender Tabelle  dargestellt.

1. SchrittWelche Kriterien müssen bewertet werden? 2. SchrittWie wichtig sind die kriterien für den Betreiber 3. SchrittWie gut erfüllt die Alternative die Kriterien? 4. SchrittErgebnis
Kriterium 1: Gewichtung x Bewertung = Teilnutzwert 1
Kriterium 2: Gewichtung x Bewertung = Teilnutzwert 2
Kriterium 3: Gewichtung x Bewertung = Teilnutzwert 3
Kriterium n: Gewichtung x Bewertung = Teilnutzwert n
Nutzwert der Alternative = Summe der Teilnutzwerte

Tabelle 9:     Vorgehensweise einer Nutzwertanalyse zur Auswahl einer Anlage

Zunächst wird eine Liste sämtlicher entscheidungsrelevanter Kriterien, die noch nicht in der Wirtschaftlichkeitsrechnung berücksichtigt wurden, aufgestellt. Der Planer muss festlegen, wie wichtig jedes der Kriterien für den Anlagenbetreiber ist. Dieses ist über einen paarweisen Vergleich der Kriterien möglich. Die Gewichtung erfolgt in Prozentwerten.

Kriterium Gewichtung Bewertung Teilnutzwert
Technik
Automatisierung 0,8 6 4,8
Prozessdokumentation 0,5 6 3,0
Lebensdauer 0,9 8 7,2
Temperaturgenauigkeit 0,8 9 7,2
Atmosphärenregelung 0,8 9 7,2
Aufheizgeschwindigkeit 0,4 9 3,6
Wartungsanfälligketeit 0,6 9 5,4
Serviceverfügbarkeit 0,4 9 5,4
Flexibilität
Modelltypenvielfalt 0,3 2 0,6
Änderungsmöglichkeiten 0,4 3 1,2
Umwelt
Lärm 0,4 7 2,8
Abgas 0,4 7 2,8
Abwasser 0,4 7 2,8
Abfall 0,4 7 2,8
Giftige Reststoffe 0,6 7 4,2
Sonstiges
Image Lieferant 0,8 10 8,0
Unfallsicherheit 0,7 9 6,3
Garantie 0,3 8 2,4
Relativer Nutzwert 77,7 %

Tabelle 13:   Beispiel Nutzwert einer Wärmebehandlungsanlage (Gewichtung 1 = hoch,          Bewertung 10 = sehr gut, ausgezeichnet)

Im nächsten Schritt wird untersucht wie gut die ausgewählte Wärmebehandlungsanlage mit dem Anforderungsprofil übereinstimmt. Dazu wird zunächst angegeben, wie gut die Anlage jedes Kriterium erfüllt. Das Ausweichen auf Prozentwerte ist nötig um vergleichbare dimensionslose Größen zu erhalten.

In Tabelle 13 sind die Teilnutzwerte der Kriterien und der Gesamtnutzwert (Summe der Teilnutzwerte) der Wärmebehandlungsanlage angegeben. Je höher der Nutzwert ist, desto besser erfüllt sie die individuellen Anforderungen eines Anlagenbetreibers.

Aus den Ergebnissen der Wirtschaftlichkeitsrechnung und der Nutzwertanalyse ist nun eine Entscheidung abzuleiten. Hilfreich ist hier eine übersichtliche Ergebnisdarstellung, beispielsweise in Form eines Diagramms.

Auf der Ordinate des Koordinatensystems kann beispielsweise die Rentabilität, die Amortisation oder der Kapitalwert aus der Wirtschaftlichkeitsrechnung aufgetragen werden. Im vorliegenden Fall wurde der Kapitalwert ausgewählt. Auf der Abszisse ist der Nutzwert aus der Nutzwertanalyse für die im Beispiel beschriebene Wärmebehandlungsanlage (WA 1) und zwei Vergleichsöfen (WA 2 und WA 3) aufgetragen.

Bild 13:          Grafische Darstellung einer Nutzwert/Kosten-Analyse

Falls der Entscheidungsträger einen Mindestnutzwert fordert oder den finanziellen Gesamtaufwand begrenzt, werden alle Alternativen die diese Vorgaben nicht erfüllen von der folgenden Auswahlentscheidung ausgeschlossen. Existiert eine Alternative, die gleichzeitig den höchsten Nutzen und auch die höchste wirtschaftliche Wertigkeit aufweist, handelt es sich bei ihr um die beste Alternative.

Liegt wie keine derartige Alternative vor, wird zuerst versucht die Anzahl der zu bewertenden Alternativen zu verkleinern. Dazu wird jede Alternative, die sowohl eine niedrigere wirtschaftliche Wertigkeit als auch gleichzeitig einen niedrigeren Nutzwert als eine andere Alternative aufweist, ausgesondert. In Bild 13 kann Ofen-Alternative 3 auf diese Weise ausgesondert werden. Bei den verbliebenen Alternativen 1 und 2 ist die Frage zu beantworten, ob der höhere Nutzwert des Ofens 1 deren niedrigere wirtschaftliche Wertigkeit (höhere Kosten) aufwiegt. Massgebend für die Entscheidung über eine der beiden übrigen Alternativen ist hier die Bedeutung, die der Entscheidungsträger den Kosten und dem Nutzwert beimisst.

Zusammenfassung

Eine Vielzahl von Entscheidungen kennzeichnen unser Leben, sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Bereich. Da die wirtschaftlichen und technischen Zusammenhänge bestimmter Prozesse immer vielschichtiger, differenzierter und auch unübersichtlicher werden, ist daher deren systematische Erfassung und Analyse erforderlich.

Der vorliegende Beitrag stellt in einer Übersicht die bei der Wärmebehandlung von Metallen relevanten Verfahren, Anlagentypen sowie bauteil- und verfahrensbedingte Beurteilungskriterien vor. Es wird deutlich, dass eine vollständige und korrekte Erfassung aller Parameter äusserst schwierig und nur im Team mit der Unterstützung des Ofenbauers realisiert werden kann.

Die vorgestellten Ansätze und Überlegungen sollen helfen, den komplexen Entscheidungsprozess bei der Investitionsplanung von Wärmebehandlungsanlagen transparenter zu gestalten und zu verlässlichen Aussagen zu gelangen.


Mit den vorgestellten Analysemethoden wird das Investitionsrisiko zwar nicht restlos beseitigt, aber deutlich reduziert. Die Qualität der Analyse hängt davon ab, wie genau die Planer die Beurteilungskriterien festlegen und die entsprechenden Zahlungsströme bestimmen. Wichtig ist, dass die Ziele und deren Gewichtung mit Sorgfalt an die Gegebenheiten des Betriebes angepasst werden. Angesichts der hohen Investitionssumme einer Wärmebehandlungsanlage wird daher empfohlen, vor dem Aufwand, der für eine verlässliche Wirtschaftlichkeitsanalyse nötig ist, nicht zurückzuschrecken.
_________________________________________________________________________________

Samstag, 7. Februar 2015

Die Glimmentladungsspektrometrie

Eine neuzeitliche Analyse der Ergebnisse nach thermochemischen Behandlungen und funktionellen Beschichtungen






























Der grundlegende Prozeß der GDO(E)S-(Glow Discharge Optical Emission Spectroscopy) Tiefenprofilanalyse ist das Prinzip der Kathodenzerstäubung durch ein Argon-Glimmentladungsplasma, das man durch eine spezielle geometrische Anordung des Entladungsraumes (Glimmentladungslampe) erreicht. Dabei werden positiv geladene Argonionen aufgrund des elektrischen Feldes in Richtung auf die Probenoberfläche beschleunigt. Beim Aufschlag auf die Probenoberfläche werden hierbei durch kinetische Prozesse Probenatome herauseschlagen.

Analysiert wird dabei eine in der Regel kreisrunde Probenoberflächefläche mit einem wahlweisen Durchmesser von 2,5 mm oder 4 mm, je nach Anodendurchmesser. Durch die Kathodenzerstäubung entsteht ein immer tiefer werdender Krater, wobei im Idealfall planparallel zur Probenoberfläche, Schicht für Schicht, abgetragen wird. Das entsprechende Kraterprofil ist sowohl von den Entladungsbedingungen als auch von der Probe selbst abhängig. Die Erosionsgeschwindigkeit ist dabei eine Funktion der Entladungs-bedingungen und der Elementzusammensetzung in der Probe. Die herausgeschlagenen Probenatome diffundieren in den Entladungsraum und werden darin angeregt. Dabei emittieren die verschiedenen Elemente eine ihrer Atomart charakteristische Strahlung. Diese Strahlung gelangt nun über eine Optik in ein Vakuum-Gitter-Spektrometer. Dort wird Strahlung an dem Gitter spektral zerlegt und die einzelnen Strahlungsanteile elementabhängig an genau definierten Orten mit Hilfe von CCD- (charge coupled device) Zeilen gemessen.
Die Intensitäten, die an den CCDs gemessen werden, sind dabei in etwa proportional zum Elementgehalt in der Probe. Die CCD-Optik ermittelt somit simultan ein Emissionsspektrum der Probe. Eine zeitsimultane Messung aller CCDs gewährleistet, daß alle Elemente pro Tiefenabschnitt erfaßt werden können. Die Scanfrequnenz über ein Komplettes Spektrum beträgt 10 Hz, d. h. für die Tiefenprofilanalyse können 10 Messungen/s ermittelt werden. Daraus folgt, daß die minimale Schichtdicke die noch analysiert werden kann, je nach Material, ca. 50 nm bis 100 nm beträgt.

Die GDOES ist ein lateral integrierendes Verfahren, das eine sehr gute Tiefenauflösung aufweist Und wegen der hohen Zerstäubungsgeschwindigkeit für die Analyse von technischen Schichten prädestiniert ist.
Innerhalb kürzester Zeit (in der Regel 1 bis 3 Minuten) werden an einer nitrierten oder nitrocarburierten Randschicht folgende Parameter mit sehr hoher Genauigkeit gemessen, protokolliert und in einem geeigneten Ausdruck visualisiert und elektronisch gespeichert:

Verbindungsschichtdicke Dicke des Porensaumes Konzentrationsprofil aller in der analysierten Randschicht gelösten Elemente, insbesondere N, C, Cr, O, Mn, S.

Gleich ausgezeichnete Ergebnisse werden bei anderen thermochemischen Verfahren – wie z.B. Carbonitrieren, Borieren, Oxidieren und Aufkohlen und bei funktionellen Beschichtungen erzielt.
An dem neu entwickelten Gerät besteht die Möglichkeit nicht nur plane Oberflächen zu messen, sondern – mittels einer besonderen Anodenkonstruktion – auch die Messung von gekrümmten Oberflächen bis hin zu einem Radius von 2 mm.

Bedingt durch das schnelle Ergebnis der Messungen, kann die in der Anlage befindliche Charge bei Bedarf korrigiert werden. Das Meßverfahren eignet sich zur onlineSteuerung des gesamten Nitrierprozesses. Gesammelte Erfahrungen über einen Zeitraum von knapp 15 Jahren in einer Betriebshärterei und einer Lohnhärterei bestätigen diese Aussagen.


Die sehr gute Reproduzierbarkeit der Meßergebnisse mittels GDOS haben drei große Automobilhersteller (Volkswagen, DaimlerChrysler und BMW) veranlaßt, bei einem bestimmten Spektrum kritischer Bauteile die GDOS-Prüfung in interne Meßprotokolle und in Meßberichte der Zulieferer vorzuschreiben.






















_________________________________________________________________________________

Innovative Wärmebehandlungsverfahren und Anwendungsbereiche

Autor: Dr.-Ing. Olaf Irretier, Industrieberatung für Wärmebehandlungstechnik IBW Dr. Irretier
Vortrag vom 11.02.2010 im ETP Hannover



1. Einführung

Zur Klärung der Frage „was innovative Wärmebehandlungsverfahren sind“, mag zunächst einmal die Bestimmung des Begriffes im Fordergrund stehen: Die Wärmebehandlung beinhaltet ein zeitlich begrenztes Erwärmen von metallischen Werkstücken auf bestimmte Temperaturen, unter Beachtung der Erwärmungs- und Abkühlungsgeschwindigkeiten zur Verbesserung der Werkstoffeigenschaften. Durch Wärmebehandlung erhalten die Bauteile die Eigenschaften wie z.B. Härte, Zähigkeit und Zugfestigkeit, die für ihren späteren Einsatz erforderlich sind [1].

Bei Wärmebehandlungsprozessen sind als Einflussfaktoren Zeit (Erwärmungs- und Haltezeit), Temperatur, Atmosphäre und Abschreckung bzw. Abkühlung von entscheidender Bedeutung. Die Erwärmungszeit ist so festzulegen, dass die Temperatur sehr gleichmäßig im gesamten Bauteil ansteigt und sich entsprechend verteilt, um den Verzug möglichst gering zu halten. Die Haltezeit ist bei einer bestimmten Temperatur so zu wählen, dass die gewünschte Gefügeänderung abläuft, oder Elemente wie Kohlenstoff beim Einsatzhärten bzw. Stickstoff beim Nitrieren eindiffundieren können.

Die Höhe der Temperatur hängt vom Werkstoff und vom gewünschten Wärmebehandlungsergebnis ab. Durch die Auswahl der Atmosphären können während der Wärmebehandlung Verfärbungen und Verzunderungen an den Bauteiloberflächen vermieden werden. Dies geschieht durch die Verwendung von “Schutzgasen” oder dem Einsatz von Vakuum.

Durch die Abschreckung bzw. Abkühlung des Stahls wird eine Veränderung der Gefügestruktur erreicht, um so ein neues hartes Gefüge mit dem Namen “Martensit” zu erzeugen.

In der Wärmebehandlung unterscheidet wird zwischen Verfahren, die eine durchgreifende Gefügeumwandlung bewirken und Verfahren die lediglich eine Umwandlung an der Oberfläche eines Werkstückes bewirken. Zu den erstgenannten Verfahren gehören das Glühen und das Härten, d.h. die thermischen Verfahren. Wärmebehandlungsverfahren, die eine Umwandlung an der Oberfläche zum Ziel haben, zählen zu den Diffusions- und Beschichtungsverfahren bzw. zu den thermochemischen Verfahren. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Wärmbehandlungsverfahren [1]:

Thermische Verfahren Thermochemische Verfahren
Glühverfahren Härteverfahren Diffusionsverfahren Beschichtungsverfahren (PVD, CVD)
Normglühen Weichglühen Spannungsarmglühen Rekristallisationsglühen Grobkronglühen Diffusionsglühen Lösungsglühen Härten Vergüten Randschichthärten Zwischenstufen- vergüten Aufkohlen Einsatzhärten Carbonitrieren Nitrieren Borieren Chromieren Vanadieren Aluminieren Silicieren TIN TIC TICN CrN AI2O3 CrN2 TIB TIALN

Der Begriff „Innovation“, aus dem lateinischen stammend, kann im Sinne von neuen Ideen oder Erfindungen und deren wirtschaftliche Umsetzung übersetzt werden. Die Verfahren der Vakuumwärmebehandlung haben dabei in den letzten Jahren eine besondere Entwicklung genossen und werden im folgenden Beitrag in den Anwendungen und Marktchancen im Detail vorgestellt.

In Kapitel 2 bis 6 werden zunächst die Verfahren vorgestellt, die den überwiegenden Anteil der Wärmebehandlungstechnik ausmachen und die für das Grundverständnis relevant sind.

2.    Thermische Verfahren
2.1   Glühen

Unter Glühen versteht man die Behandlung eines Werkstückes bei einer bestimmten Temperatur, mit einer bestimmten Haltedauer und einer nachfolgend, der Erzielung der angestrebten Werkstoffeigenschaften, angepassten Abkühlung.
Man unterscheidet folgende wichtige Glühverfahren:
  • Normalglühen
  • Spannungsarmglühen
  • Weichglühen
  • GKZ-Glühen
  • Grobkornglühen
  • Diffusionsglühen
  • Rekristallisationsglühen
  • Lösungsglühen
Das Normalglühen wird hauptsächlich nach vorausgegangener Warmumformung von Bauteilen vorgenommen. Das Erwärmen erfolgt auf eine Temperatur etwas oberhalb der Härtetemperatur mit einem anschließenden Abkühlen an ruhender Atmosphäre, um eine gleichmäßige Kornstruktur zu erzielen.

Das Spannungsarmglühen ist ein Glühen bei hinreichend hohen Temperaturen (bei vergüteten Stählen jedoch unterhalb der letzten Anlasstemperatur) mit dem Ziel, die Eigenspannungen ohne wesentliche Änderungen des Gefüges und der mechanischen Eigenschaften zu verringern.

Unter Weichglühen versteht man ein Glühen bei einer Temperatur dicht unterhalb des unteren Umwandlungspunktes mit anschließendem, langsamen Abkühlen, um einen möglichst weichen Zustand zu erzielen.

Das GKZ-Glühen, das Glühen auf kugeligem Zementit, ist auch ein Weichglühvorgang, wobei allerdings durch ein Pendelglühen mit anschließender, langsamer Abkühlung ein möglichst hoher Einformgrad der Karbide erzielt wird. Diese Behandlung ist z.B. für ein nachfolgendes Kaltmassivumformen von großer Bedeutung.

Das Grobkornglühen, auch Hochglühen genannt, findet bei einer Temperatur oberhalb der Härtetemperatur mit einer zweckentsprechenden Abkühlung statt, um ein gröberes Korn (z.B. zur Verbesserung der Zerspanbarkeit) zu erzielen.

Das Diffusionsglühen ist ein Glühen bei sehr hohen Temperaturen im Rekristallisationsgebiet. Ziel ist, z.B. die durch Kaltumformung eingetretenen Eigenschafts- und Gefügeänderungen partiell oder vollständig rückgängig zu machen, ohne dass eine Gefügeumwandlung stattfindet.

Das Lösungsglühen wird vorwiegend bei austenitischen Stählen zum Lösen ausgeschiedener Bestandteile in Mischkristallen und zur Eliminierung von Spannungen bei vorausgegangener Kaltverfestigung durchgeführt.
Die Vorteile des Glühens sind Verbesserung der mechanischen Eigenschaften, Optimierung der mechanischen Bearbeitung (spanlose und spanabhebende), Verbesserung der Gefügezustände zur Kaltumformung, Verringerung der Be- und Verarbeitungsspannung, Wiederherstellung des Ausgangszustandes.

2.2   Härten

Unter Härten versteht man eine Wärmebehandlung bestehend aus Austenitisieren und Abkühlen unter solchen Bedingungen, dass eine Härtezunahme durch mehr oder weniger vollständige Umwandlung des Austenits in der Regel in Martensit erfolgt. Das Austenitisieren ist der Behandlungsschritt, in dem das Werkstück auf Austenitisierungstemperatur gebracht wird und durch vollständige Phasenumwandlung und Carbidauflösung die Matrix des Stahls austenitisch wird. Nach dem Austenitisieren erfolgt das Abkühlen. Damit das gesamte Werkstück ein martensitisches Gefüge annimmt, muss die Geschwindigkeit des Temperatursturzes größer sein als die kritische Abkühlgeschwindigkeit des jeweiligen Stahls. Das Abkühlen kann in verschiedenen Medien erfolgen, die sich charakteristisch durch ihre Abkühlwirkung in den verschiedenen Temperaturbereichen unterscheiden.

Nach dem Härten besteht das Gefüge sogenannter übereutekoider Stähle üblicherweise aus Martensit + Restaustenit + Carbid. Dem Anteil dieser Phasen ist z.B. bei der Wärmebehandlung von Werkzeugstählen große Bedeutung beizumessen, da Eigenschaften wie Verschleißfestigkeit und Maßhaltigkeit vom Gefügezustand nach dem Härten beeinflusst werden.

Im Prinzip ist jeder Stahl mehr oder weniger gut härtbar. Die Härtbarkeit ist entscheidend von der chemischen Zusammensetzung des Stahls abhängig. Unter Härtbarkeit versteht man die Fähigkeit eines Stahls, in der oberflächennahen Zone mehr oder weniger tiefgreifend eine erhöhte Härte anzunehmen. Der Begriff „Härtbarkeit“ beinhaltet die Höhe sowie die Verteilung der Härtezunahme im Werkstück (Einhärtbarkeit).

Das Härten wird angewendet, um Bauteilen und Werkzeugen eine ausreichende Härte und Festigkeit gegenüber mechanischen Beanspruchungen – z.B. statischer oder dynamischer Verformung durch Zug, Druck, Biegung, Verschleiß – zu verleihen.

2.3   Bainitisieren (Zwischenstufenvergüten)

Der übliche Weg zur Erhöhung von Härte bzw. Festigkeit ist das Vergüten. Eine weitere Möglichkeit ist das Bainitisieren, das früher Zwischenstufenvergüten genannt wurde. Bei dieser Wärmebehandlung wird das Bauteil in gleicher Weise wie beim Härten austenitisiert, d.h. es erfolgen abhängig vom Werkstoff Wärmebehandlungen bei Temperaturen von 800 – 1.050°C.

Das Abschrecken erfolgt anschließend im Salzwarmbad bei Temperaturen in Abhängigkeit des Werkstoffs zwischen 250 und 450°C. Das Bauteil verbleibt im Salzbad bei gleichbleibender Temperatur (isotherm), bis die Gefügeumwandlung von Austenit nach Bainit (=Zwischenstufe) abgeschlossen ist. Die Martensitumwandlung findet nicht statt. Je nach Werkstoff kann die Umwandlung in einigen Minuten abgeschlossen sein; manchmal dauert es aber auch mehrere Stunden. Anschließend wird das Bauteil an der Luft abgekühlt und nicht mehr angelassen.

Bainitgefüge haben sehr spezielle Eigenschaften, die durch hohe Festigkeiten (Härten), maximale Zähigkeiten und relativ geringe Verzüge gekennzeichnet sind. Typischerweise werden Bauteile aus Stählen wie C45, C75, C67E, 42CrMo4, 65Cr3, 67SiCr5, aber auch legiertes Gusseisen bainitisiert (ADI Material). Typische Anwendungsbeispiele für das Bainitisieren findet man bei Sicherheitsgurtbeschlägen aus dem Automobilbau, bei Federn, Nägeln und speziellen Messerklingen, aber auch bei Kurbelwellen aus legiertem Gusseisen.

2.4   Kolsterisieren

Kolsterisieren ist ein Oberflächenhärteverfahren für austenitische, rostfreie Edelstähle. Diese Stähle sind für ihre ausgezeichnete Korrosionsbeständigkeit bei atmosphärischen Bedingungen, gegen Wasser und diverse Chemikalien, bekannt. Jedoch ist die Verschleißbeständigkeit und die Härte gering und für viele Anwendungen ungenügend. Die austenitischen, rostfreien Stähle sind mit herkömmlichen Wärmebehandlungsverfahren nicht härtbar. Prozesse wie z.B. Nitrieren und Aufkohlen erhöhen das Verschleißverhalten, vermindern aber die Korrosionsbeständigkeit dieser Stähle durch Chromkarbid- bzw. Chromnitridbildung.

Kolsterisieren bietet die Lösung für austenitische, rostfreie Stähle zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften wie z.B. Verschleißfestigkeit, “Fressen”, ohne dabei die Korrosionsbeständigkeit zu verändern. Die kolsterisierten Produkte überzeugen durch bessere technische Eigenschaften und Wirtschaftlichkeit, da die Lebensdauer entscheidend verlängert wird.

Die Forderungen nach Erhaltung der Korrosionsbeständigkeit sowie Verschleißfestigkeit werden beim Kolsterisieren mittels eines Diffusionsverfahrens bei niedriger Temperatur (< 300°C) erzeugt. Hierbei werden große Mengen Kohlenstoff eindiffundiert. Der Kohlenstoff wird in Zwischengitterplätzen gelöst und bildet keine Carbide. Aufgrund der großen Mengen Kohlenstoff kommt es zu Druckspannungen in der Oberfläche, die eine sehr hohe Oberflächenhärte von > 1000 HV 0,05 erzeugen.
In der Praxis werden 3 Typen von Behandlungen angewandt:
  • Standardbehandlung mit einer Einhärtetiefe von 22µm, für austenitischen, rostfreien Stahl als Verschleißschutz bei adhäsiven Verschleiß und als Schutz vor Fressen.
  • Standardbehandlung mit einer Einhärtetiefe von 33µm, für austenitischen, rostfreien Stahl und Nickelbasis-Legierungen bei höherer Beanspruchung.
  • Duplex-Behandlung für Duplex-rostfreien Edelstahl (z.B. 1.4462) und bei V2A Stählen (z.B. 1.4301)
Das Kolsterisieren ist ein form-, farb- und maßfestes Oberflächenhärteverfahren, mit dem man auch Bohrungen bis zu einer Größe von wenigen Mikrometern gleichmäßig Oberflächenhärten kann. Grundsätzlich kann jeder austenitische, rostfreie Edelstahl kolsterisiert werden. Genauso können auch Nickelbasis-Legierungen wie z.B. Inconel 718 oder Hastelloy C276 und Duplex-Edelstähle behandelt werden. Bevorzugt werden molybdänhaltige Austenite, die nach dem Kolsterisieren eine Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit aufweisen.

3.    Oberflächenhärteverfahren
3.1   Induktiv- und Flammhärten

Unter Randschichthärten versteht man das örtlich begrenzte Erwärmen (Austenitisieren) und Abschrecken der Bauteile. Beim Flammhärten wird die Wärme mit Gasbrennern auf das Werkstück übertragen. Bei der induktiven Erwärmung wird durch mittel- oder hochfrequenten elektrischen Wechselstrom über einen an die zu härtende Kontur angepassten Induktor ein Induktionsstrom im Werkstück erzeugt, wodurch die Wärme entsteht.

Die Härtezunahme erfolgt durch eine Umwandlung der Erwärmungsschicht (beim Abschrecken) in Martensit, die erreichbare Härte ist vom Kohlenstoffgehalt und der Legierungszusammensetzung abhängig. Das Abschrecken erfolgt kontrolliert innerhalb eines werkstoffabhängigen Zeitfensters, meist mit einer synthetischen Polymerlösung mittels Abschreckbrausen, seltener durch Tauchabkühlung. Da die induktive Erwärmung üblicherweise unter Luft (im Sekundenbereich) stattfindet, ist eine dünne Zunderschicht kaum zu vermeiden, deshalb müssen die Teile nach dem Randschichthärten (im Regelfall) mechanisch nachgearbeitet werden. Jedoch sind auch Härtungen unter Schutzgas möglich, um Verzunderungen zu vermeiden.
Fast alle Vergütungsstähle ab einem Kohlenstoffgehalt von > ca. 0,30 %; Gusswerkstoffe sowie hochlegierte Werkstoffe (mit ausreichend freiem Kohlenstoff) lassen sich ebenfalls bedingt Randschichthärten. Eine Abarbeitung der Walzhaut/Gusshaut ist für ein optimales Ergebnis notwendig.

Das Randschichthärten wird angewandt, um der Randschicht von Werkstücken aus Stahl eine höhere Härte zu geben und dadurch bessere mechanische Eigenschaften zu erreichen. Durch die Entstehung einer harten Randzone und einer zähen Kernzone zeichnen sich die randschichtgehärteten Bauteile durch einen erhöhten Verschleißwiderstand, eine erhöhte Biegewechselfestigkeit (im gehärteten Bereich) oder hohe Wälzfestigkeit (bei Zahnrädern und Wälzlagern) aus. Weitere Vorteile speziell des Induktionshärtens sind schnelles und partielles Erwärmen des Werkstückes, hohe Durchsätze, Gleichmäßigkeit des Härteverlaufes und der Härtewerte, hohe Reproduzierbarkeit und Automatisierbarkeit, geringer Verzug und Zunderanfall.

3.2   Laserstrahlhärten

Das Laserstrahlhärten zählt wie das Flamm- und Induktionshärten zu den Randschichthärteverfahren. Viele Werkzeuge und Maschinenkomponenten unterliegen bei ihrem Einsatz erhöhtem Verschleiß.Um eine höhere Verschleißfestigkeit und damit eine höhere Standzeit zu erreichen, werden diese Teile randschichtgehärtet. Bei dem Laserstrahlhärteverfahren wird der Laserstrahl mit einstellbarer Brennfleckgröße mittels einer CNC- gesteuerten Mehrachsenanlage oder eines Roboters über die hochbelasteten Funktionsflächen geführt, die sich dabei über die Austenitisierungstemperatur (Härtetemperatur) erwärmen. Bei der anschließenden Selbstabschreckung durch das kalte, nicht erwärmte Bauteilvolumen härtet das Teil an der entsprechenden Stelle auf.

Während bei großen Werkzeugen und Formen der Umformtechnik (Biege- und Schneidkanten) und der Kunststoffindustrie (Tauch- und Schließkanten) mit mehreren Tonnen Stückgewicht oftmals der wirtschaftliche Aspekt das partielle Härten mit dem Laser favorisiert, stehen bei anderen Bauteilen vor allem die technischen Vorteile im Vordergrund. Getriebe- und Motorenkomponenten mit einem Anforderungsprofil von harten verschleißfesten Oberflächen und zähen Kernen lassen sich beim Laserstrahlhärten ebenso realisieren wie gehärtete Teilbereiche von Turbinenschaufeln.

Durch die lokal begrenzte Wärmebehandlung entsteht nur eine minimale Wärmeeinbringung und entsprechend geringer Verzug. Nacharbeit lässt sich dadurch stark reduzieren oder ganz vermeiden. Hohe Aufheiz- und Abkühlgeschwindigkeit bewirken in der Härteschicht besonders feinkörnige Umwandlungsstrukturen (Gefügestrukturen) mit sehr guten mechanischen Eigenschaften; ein Abplatzen der Härteschicht ist nicht bekannt. Eine anschließende Anlassbehandlung zur Vermeidung von Rissgefahr ist nur in bestimmten Fällen, und zwar bei hochlegierten kohlenstoffreichen Kaltarbeitsstählen, erforderlich.
Die Lasertechnik eröffnet neue Dimensionen für das Härten stark beanspruchter Stellen, z.B. Werkzeuge der Umformtechnik, Biegestempel, Spritzgusswerkzeuge und Maschinenteile. Verschleißbeanspruchte Zonen, z.B. Biegeradien, können konturgenau und lokal präzise begrenzt gehärtet werden. Die Vorzüge dieser Wärmebehandlung lassen sich wie folgt zusammenfassen: lokal begrenzte Wärmeeinbringung, kurze Behandlungszeiten, reduzierter Verzug, Härten von komplexen Geometrien möglich, hohe Flexibilität, da keine Induktoren nötig sind, temperaturkontrolliertes Härten möglich, keine Kontamination der Oberfläche.

4.    Thermochemische Verfahren
4.1   Einsatzhärten

Das Einsatzhärten zählt zu den thermochemischen Verfahren. Im Rahmen dieses Verfahrens wird die Randschicht von Bauteilen und Werkzeugen mit einem Kohlenstoff abgebenden Medium aufgekohlt und anschließend abgeschreckt. Hierdurch werden die mechanischen Eigenschaften der Bauteilrandschicht (z.B. Verschleiß) verbessert. Die Abschreckung kann entweder direkt aus der Aufkohlungstemperatur oder nach einem Zwischenkühlen und Wiedererwärmen auf eine werkstoffspezifische Härtetemperatur erfolgen. Dies sind nur zwei Varianten möglicher Temperatur-Zeit-Folgen beim Einsatzhärten. Die Aufkohlung erfolgt in der Regel zwischen 880 bis 980°C. Nach dem Abhärten der aufgekohlten Bauteile ist überwiegend ein Anlassen erforderlich, um die aus der Härtung entstandenen Spannungen zu mindern und die geforderten Gebrauchs- festigkeiten einzustellen. Für das Einsatzhärten stehen dem Wärmebehandler unterschiedliche Anlagentechniken wie z.B. Kammeröfen, Durchlauföfen, Salzbäder, Niederdruckanlagen etc. zur Verfügung.
Partielles Einsatzhärten ist dank geeigneter Isoliertechniken möglich. Aufgekohlt wird mit Pulver, Salz, Gas und Plasma. Als Abschreck- medien werden hauptsächlich Öle und synthetische Polymerlösungen eingesetzt.
Einsatzstähle sind Baustähle mit verhältnismäßig niedrigem Kohlenstoffgehalt, die für Bauteile verwendet werden und deren Randschicht vor dem Härten üblicherweise aufgekohlt oder carbonitriert wird. Einsatzhärtestähle liegen im Kohlenstoffgehalt unter dem der Vergütungsstähle, also unter 0,25%.
Das Einsatzhärten dient dazu, der Randschicht von Werkstücken und Werkzeugen aus Stahl eine wesentlich höhere Härte und den Werkstücken und Werkzeugen bessere mechanische Eigenschaften zu verleihen. Einsatzgehärtete Bauteile und Werkzeuge zeichnen sich durch erhöhten Verschleißwiderstand, einen zähen Kern sowie durch eine erhöhte Biegewechselfestigkeit aus. Diese Eigenschaften sind vor allem bei Getriebeteilen erwünscht.

4.2   Carbonitrieren

Das Carbonitrieren zählt zu den thermochemischen Verfahren. Im Rahmen dieses Verfahrens wird die Randschicht von Bauteilen mit Kohlen- und Stickstoff angereichert und die mechanischen Eigenschaften der Bauteilrandschicht (z.B. Verschleiß) verbessert. Die Carbonitriertemperaturen sind niedriger als die bei der Einsatzhärtung, jedoch höher als die Nitriertemperaturen. Die Temperaturen bei der Carbonitrierhärtung im Gas liegen im Allgemeinen zwischen 760 und 900°C. Während beim Einsatzhärten Kohlenstoff und beim Nitrieren Stickstoff in die Stahloberfläche eindringt, beruht die Wirkung der Carbonitrierung auf Kohlenstoff- und gleichzeitig Stickstoffdiffusion. Durch Anreicherung von Stickstoff werden die Härtetemperatur und die kritische Abkühlgeschwindigkeit herabgesetzt, so dass milder abgeschreckt werden kann. Beide Faktoren verringern das Risiko des Verzugs. Mit einer anschließenden Anlassbehandlung wird die gewünschte Oberflächenhärte eingestellt. Falls eine partielle Carbonitrierung gefordert ist, können die nicht zu carbonitrierenden Bereiche isoliert werden.

Für das Carbonitrieren eignen sich unlegierte und niedrig legierte Einsatzstähle sowie Automaten- und Baustähle. Dies sind im allgemeinen Stähle mit Kohlenstoffgehalten unter 0,2%.  Das Carbonitrieren dient dazu, der Randschicht von Werkstücken und Werkzeugen aus Stahl eine wesentlich höhere Härte und den Werkstücken und Werkzeugen bessere mechanische Eigenschaften zu verleihen. Durch das Carbonitrieren entsteht ein erhöhter Verschleißwiderstand unter gleichzeitiger Verzugsarmut.

4.3   Nitrieren

Das Nitrieren bietet im Wesentlichen folgende gängige Varianten:
Nitrieren bei Diffusion von Stickstoff:
  • Gasnitrieren
  • Plasmanitrieren
  • Vakuumnitrieren
Nitrieren bei Diffusion von Stickstoff und Kohlenstoff:
  • Gasnitrocarburieren
  • Plasmanitrocarburieren
  • Salzbadnitrocarburieren
Für alle Verfahren gelten folgende Bedingungen: Je länger die Nitrierdauer, desto größer die Nitrierhärtetiefe (Nht). Je höher die Temperatur gewählt wird (Temperaturspannen von 350 – 630°C), desto tiefer kann der Stickstoff bei gleicher Zeiteinheit eindringen. Allgemein sinkt jedoch die Eigenhärte der Nitrierschicht mit zunehmender Behandlungstemperatur.
Werkstoffe mit nitridbildenden Elementen (z.B. Chrom, Molybdän, Vanadium, Aluminium) weisen eine höhere Nitrierhärte auf, jedoch reduziert sich die mögliche Stickstoffeindringtiefe mit zunehmendem Legierungsgehalt. Die verschiedenen Nitriertechniken im kurzen Überblick:

Gasnitrieren: In einer aufgespalteten Ammoniakgasatmosphäre diffundiert üblicherweise bei 500 – 530°C Stickstoff in die Bauteile ein. Durch lange Behandlungsdauern von 10 – 160 Stunden werden Nitrierhärtetiefen (Nht) von 0,1 – 0,9 mm erzielt, je nach verwendetem Werkstoff. Hauptziele sind z.B. Verbesserungen der Bauteilfestigkeit, Verschleißfestigkeit, Gleiteigenschaften, Temperaturbeständigkeit und Biegewechselfestigkeit. Eine partielle Behandlung kann durchgeführt werden.

Plasmanitrieren: Das Plasmanitrieren bewirkt die Einlagerung von Stickstoff in Eisenwerkstoffen üblicherweise bei 480 – 580°C und findet im Vakuum unter Zuhilfenahme des mit einer Glimmentladung erzeugten Plasmas an der Werkstückoberfläche statt. In Sonderfällen sind auch Behandlungstemperaturen von 350 – 480°C möglich. Hauptziele sind die bei der Gasnitrierung bereits genannten Eigenschaften. Das Verfahren eignet sich besonders für hochlegierte Werkstoffe (> 13% Cr) unter Berücksichtigung einer sich ggf. einstellenden Verschlechterung der Korrosionsbeständigkeit. Enge Spalten oder Bohrungen sind nicht immer gleichmäßig nitrierbar. Ergänzende Informationen über das Plasmanitrieren können Sie dem Infoblatt “Plasmanitrieren” entnehmen.

Vakuumnitrieren: Die Vakuumnitrierung ist ein Spezialnitrierprozess mit Ammoniak und Lachgas bei 450 – 550°C im Unterdruck. Sie dient zur Erzielung maximaler Härten bei Werkzeugstählen und hochlegierten Werkstoffen. Übliche Nht’s liegen bei 0,05 – 02mm. Eine Teilnitrierung ist nicht möglich. Gegenüber der Behandlung im Plasma werden aber bessere allseitige und gleichmäßige Nitrierergebnisse bei scharfen Kanten und Stegen sowie engen, tiefen Bohrungen bzw. Spalten erreicht.

Nitrocarburierung im Gas oder Plasma: Dieser Prozess erfolgt vorzugsweise bei 570 – 580°C in einem Gasgemisch Stickstoff-Kohlenstoff abgebender Medien und stellt eine Alternative zur Salzbadnitrocarburierung mit langsamerer Chargenabkühlung dar. Hauptziel ist der Verschleiß- oder Korrosionsschutz. Bei Abkühlung in oxidierenden Atmosphären kann die Korrosionsbeständigkeit noch zusätzlich verbessert werden. Die Nht liegt bei 0,1 – 0,35 mm. Die Oxidationsbehandlung nach der Nitrocarburierung ist nach allen Verfahrensvarianten möglich. Partielle Behandlungen sind bei Gas- oder Plasmabehandlungen möglich. Für alle Nitrocarburierverfahren gilt: Die Behandlung erfolgt zur Erzeugung der gewünschten Verbindungsschicht (VS), die Ausscheidungsschicht ist normalerweise von untergeordneter Bedeutung.

Salzbadnitrocarburierung: In einer Salzschmelze wird bei 570 – 580°C eine Nitrocarburierbehandlung durchgeführt. Die Behandlungszeit beträgt üblicherweise 60 – 120 Minuten, die Abkühlung erfolgt werkstoffabhängig im Wasser- oder Salzwarmbad. Die Nht beträgt ca. 0,1 – 0,25 mm (je nach verwendetem Werkstoff). Die Behandlung erfolgt vorwiegend zum erschleiß- und Korrosionsschutz; für hohe Belastungen ist das Salzbadnitrocarburieren weniger geeignet. Partielles Salzbadnitrocarburieren ist nicht möglich.

Zum Salzbadnitrocarburieren, Plasmanitrieren und Plasmanitrocarburieren können alle gebräuchlichen Stahl-, Guss- und Sinterwerkstoffe eingesetzt werden. Geeignet sind sowohl unlegierte als auch niedrig und hochlegierten Stähle.

Zum Gasnitrieren, Gasnitrocarburieren können alle gebräuchlichen Stahl-, Guss- und Sinterwerkstoffe eingesetzt werden. Geeignet sind unlegierte, niedrig legierte und mittellegierte Werkstoffe; hochlegierte Werkstoffe (> 13% Cr) sind – aufgrund ihrer Oberflächenpassivitäten – eher ungeeignet.

Die Vorzüge des Nitrierens sind hoher Verschleißwiderstand bei Adhäsion, Anpassung der Schichten an Verschleißarten, Reduzierung der Reibungskoeffizienten, Einsparung von Schmiermitteln, Schaffung korrosionsbeständiger Schichten, Warmbeständigkeit der Nitrierschicht bis 400°C, Teilnitrierungen möglich (Ausnahme: Salzbadnitrocarburieren).

4.4   Borieren

Borieren ist wie Nitrieren, Nitrocarburieren und Einsatzhärten ein thermochemisches Randschichthärteverfahren zur Erzeugung einer verschleißbeständigen Randschicht auf den Bauteilen. Boridschichten werden zur Senkung des abrasiven und adhäsiven Verschleißes eingesetzt. Die hohe Härte der Boridschicht, die je nach Substratwerkstoff zwischen 1600 und 2800 HV liegt, bildet die Basis für den Widerstand gegen Abrasivverschleiß. Die gute Eigenschaft gegen Adhäsivverschleiß ist auf die geringe Kaltschweißneigung der Boridschicht zurückzuführen. Anwendungsgebiete für Boridschichten sind der Fahrzeug-, Maschinen-, Anlagen- und Apparatebau.
Borieren ist eine thermochemische Behandlung, die Anreicherung der randnahen Zone eines Werkstückes mit Bor und die Bildung einer Boridschicht auf den Werkstücken. Das Borieren läuft bei Temperaturen von 850 bis 950°C ab. Als Borspender kommen pulver- und pastenförmige Bormittel zur Anwendung. Das Bor diffundiert in die Randzone der Werkstücke und bildet an der Oberfläche eine kompakte Randschicht aus FeB, Fe²B. Die Härte (1600-2800 HV) und die Dicke der Boridschicht (bis 100µm) hängt vom Grundwerkstoff ab. Zum Borieren können alle Eisen-Basislegierungen, Bau-, Einsatz-, Vergütungs-, Werkzeug- und chemisch beständige Stähle, HSS-Stähle, Armco-Eisen, Gusseisen, Sinterwerkstoffe, alle PM-Qualitäten, Nickel-Basislegierungen und Hartmetalle verwendet werden. Boridschichten werden bei der Herstellung von Werkzeugen für die Glasindustrie eingesetzt. Durch die geringe Adhäsionsneigung kommt die Boridschicht bei der Aluminiumverarbeitung zum Einsatz. Typische Einsatzgebiete sind außerdem Mühlenteile, Pumpenteile, Armaturenteile, Zement- und Kohleverarbeitung, Tabak- und Holzverarbeitung sowie Keramikverarbeitung.

4.5   Plasmanitrieren

Das Plasmanitrieren wird mit dem Ziel durchgeführt, die Verschleiß-, Ermüdungs- und Korrosionsverhaltens von Werkstücken zu verbessern. Im Gegensatz zu den sonstigen Methoden wie Gas-, Salz- und Pulvernitrieren besitzt das Plasmanitrieren eine Reihe von verfahrensspezifischen Vorteilen.
Das Plasmanitrieren wurde bereits vor dem zweiten Weltkrieg erfunden und immer weiter entwickelt. Ein wesentlicher Fortschritt gelang durch gepulste Entladung, wodurch der Energieeintrag gesenkt und die Temperaturgleichmäßigkeit verbessert werden konnte.
Neben dem Aspekt der Umweltfreundlichkeit lassen sich mit dem Plasmanitrieren die Eigenschaften des Schichtaufbaues gezielt an das geforderte Beanspruchungsprofil anpassen. Die Nitriertemperatur ist werkstückabhängig und liegt zwischen 350°C und 570°C. Dabei entwickelt sich eine Verbindungsschicht mit einer Stärke von 0 – 30µm und eine Diffusionszone von 0,1mm – 0,7mm. Die Behandlungszeit beim Plasmanitrieren beträgt zwischen 10 Minuten und 70 Stunden und richtet sich nach dem Werkstoff, dem gewünschten Schichtaufbau und der zu erreichenden Schichtdicke.
Zu den Hauptvorteilen des Plasmanitrierens zählen die Verbesserung der Reib- und Gleiteigenschaften, die Schaffung korrosionsbeständiger Schichten und die große Verzugsarmut. In der Regel werden fertigbearbeitete Bauteile plasmanitriert, die nach dieser thermochemischen Wärmebehandlung keiner weiteren mechanischen Fertigungsoperation wie z.B. Schleifen mehr unterzogen werden müssen.
Beim Plasmanitrieren werden zunächst die Werkstücke in Schutzgasatmosphäre mittels Ofenwandheizung auf Solltemperatur erhitzt. Durch Sputtern, d.h. Reinigung und Aktivierung der Werkstückoberflächen (Bombardement durch Ionenbeschuß) werden Passivschichten auf der Oberfläche entfernt, was das Nitrieren von korrosionsbeständigen Stählen und anderen passivschichtbildenden metallischen Werkstoffen erst ermöglicht.
Grundsätzlich eignen sich alle Stähle für eine Nitrierbehandlung. Das Ergebnis ist von Art und Gehalt der Legierungselemente und der Prozesstechnik abhängig. Maßgebend dafür sind die erreichbaren günstigen Randschicht- und Verbindungsschichteigenschaften. So werden Eisenwerkstoffe wie z. B. Einsatz-, Bau- und Vergütungsstähle, Werkzeugstähle, hochfeste und nichtrostende Stähle sowie auch Gusseisen mit Erfolg plasmanitriert. Durch die niedrige Behandlungstemperatur findet selbst bei hoher plastischer Verformung des Grundgefüges keine Rekristallisation statt. Folge: geringste Maßänderungen.
Die Vorteile des Plasmanitrierens sind:
  • Flexibilität der Prozessführung, wodurch das Verfahren an unterschiedlichsten Werstoffen und Schichtanforderungen anpassbar ist.

  • Partielle Behandlungen eröffnen wesentliche Möglichkeiten für Verbundkonstruktionen

  • Optimierung des Schichtaufbaus hinsichtlich Beanspruchung. (z. B. dünne Verbindungsschichten bei großer Nitrierhärtetiefe)
  • Hohe Reproduzierbarkeit und enge Toleranzen im Behandlungsergebnis

  • Geringere Rauhigkeiten im Vergleich zu Salzbad und Gas

  • Kompakte Verbindungsschichten

  • Integrierbarkeit in die Fertigung

  • Prozesskombinationen Nitrieren und Beschichten oder Nitrieren und Oxidieren

  • Hohe Maß- und Formbeständigkeit bei Sinterteilen

  • Temperaturmessung erfolgt direkt am Bauteil, dadurch ist eine präzise Temperaturführung möglich.

  • Porenfreie bzw. Porenarme Verbindungsschichten möglich

  • Geringe Maßänderungen und geringfügige Änderungen der Werkstückrauheit ermöglichen es, in vielen Fällen die Bauteile und Werkzeuge vor der Wärmebehandlung montagefertig zu bearbeiten.

  • Effektive Nutzung des Prozessgases

  • Höchste Umweltverträglichkeit, im Vergleich zu alternativen thermochemischen Verfahren.

  • Einfaches mechanisches Abdecken nicht zu nitrierender Stellen am Werkstück möglich.

Demgegenüber können als Nachteile genannt werden:
  • Definiertes Chargieren der zu behandelnden Teile

  • Plasma dringt nicht in Spalte kleiner 0,6 – 0,8 mm ein, daher ist die Behandlung von Schüttgut nicht möglich

Neben dem Wegfall der Nacharbeit ist das Plasmanitrieren führend, wenn gleichzeitig Korrosions-, Verschleiß- sowie Festigkeitssteigerungen an Bauteilen erzielt werden sollen. Aufgrund der hohen Prozeßsicherheit werden vor allem auch kritische Serien- und Normteile wie beispielsweise Synchronringe, Präzisionszahnräder für Hochleistungsgetriebe, Ventile, Werkzeuge und Gesenke, Auswerferstifte, oder eng tolerierte Hydraulikkolben, die nach der Behandlung einbaufertig sind, heute plasmanitriert.

5.    Sonderverfahren
5.1   Tiefkühlen

Im Wesentlichen bestimmen die Härte und der Verschleißwiderstand die Lebensdauer von Werkzeugen. Daneben sind Maßhaltigkeit und geringe Eigenspannung bei vielen Werkzeugen unverzichtbare Voraussetzungen für eine einwandfreie Funktion. Gefügeveränderungen, wie eine Restaustenitumwandlung während des Gebrauchs, können zum Ausschuss des Werkzeugs führen; sie sind daher möglichst zu vermeiden. Als Restaustenit wird der Austenitanteil bezeichnet, welcher nach dem Abschrecken bis auf RT im Gefüge verbleibt. In bestimmten Anwendungsfällen, insbesondere bei Verwendung hochlegierter Werkzeugstähle, kann der Austenitgehalt eines Stahls auf dessen Verwendbarkeit und Güte entscheidenden Einfluss nehmen.

In letzter Zeit wird vor allem für die hochlegierten ledeburistischen Werkzeugstähle das Tiefkühlen verstärkt in Erwägung gezogen. Hierbei wird neben dem Tiefkühlen unmittelbar nach dem Abschrecken aus Gründen möglicher Rissgefahr oftmals auch das Tiefkühlen nach dem ersten Anlassen favorisiert. Hervorzuheben ist, dass ein Tiefkühlen immer eine Rissgefahr in sich birgt und somit nicht ohne weiteres für alle Werkzeuge geeignet ist. Zusätzlich muss bedacht werden, dass ein Tiefkühlen nicht bei allen Stählen Sinn macht, da nicht in allen Stählen Restaustenit entsteht. Die Bildung von Restaustenit hängt hauptsächlich vom C-Gehalt ab. In unlegierten und schwachlegierten Stählen muss ein C-Gehalt von mindestens 0,5% vorhanden sein. Grundsätzlich kann der Restaustenitgehalt auch durch ein mehrfaches, mindestens dreimaliges Anlassen gesenkt werden.

Der bei RT nach dem Härten vorliegende Restaustenitanteil kann durch ein Tiefkühlen, insbesondere bei ledeburitischen Chromstählen (z.B. 1.2379, 1.2080, 1.2436) sowie Schnellarbeitstählen, verringert werden. Auch bei eutektoiden Werkzeugstählen, wie beipielsweise 1.2842, kann ein Tiefkühlen sinnvoll sein. Grundsätzlich sollte die Tiefkühlbehandlung unmittelbar nach dem Härten, also vor dem ersten Anlassen, stattfinden.

Der Erfolg eines Tiefkühlens erst nach dem ersten Anlassen ist dagegen nach dem aktuellen Kenntnisstand zum Zweck der Restaustenitumwandlung zunächst zweifelhaft. Dennoch ergeben sich augenscheinlich auch nach einer solchen Prozessfolge, Standzeitverbesserungen. Gründe hierfür können die Ausscheidung dispers verteilter ?-Karbide sein.

Die gezielte Umwandlung von Restaustenit durch Kombination konventioneller Wärmebehandlungstechniken mit Tiefkühlen ist oft die technisch und wirtschaftlich sinnvollste Verfahrensweise, um die angestrebten Werkstoffeigenschaften zu erzielen. Eine große Anwendungsvielfalt kennzeichnet die Entwicklung der letzten Jahre; ebenso der Trend zu immer tieferen Temperaturen. Temperaturen bis auf -60°C lassen sich in gekühlter Luft (übliche Tiefkühltruhen oder -schränke) erreichen. Niedrigere Temperaturen als -60°C können unter Verwendung von Trockeneis, Alkoholmischungen oder in verflüssigten Gasen (flüssiger Stickstoff: -196°C) erzielt werden. Minustemperaturen von -196°C durch Flüssigkstickstoff werden heute überwiegend direkt und indirekt angewendet. In Sonderfällen ist sogar die Unterschreitung dieser Temperaturen durch Übergang auf Flüssighelium mit einem Temperaturniveau von ca. -269°C sinnvoll.

6.    Beschichtungsverfahren
6.1   CVD-Verfahren

CVD steht als Abkürzung für chemical vapour desposition. Es handelt sich dabei um die Abscheidung von Feststoffen aus der Gasphase, wobei die Gasphase im Gegensatz zu den PVD-Verfahren, auf chemischem Weg erzeugt wird. Man macht sich dabei zunutze, dass flüchtige Verbindungen unter Zuführung von Wärme chemisch reagieren und als Schicht kondensieren. Seit 1960 wird die relativ aufwendige Verfahrenstechnik zur industriellen Herstellung, insbesondere von Verschleißschutzschichten, angewendet. Chemische Reaktionen, die zur Erzeugung der Verschleißschutzschichten genutzt werden, sind zum Beispiel:

Titankarbid TiC aus Titantetrachlorid TiCl4 und Methan CH4
Titannitrid TiN aus Titantetrachlorid TiCl4 und Stickstoff N2
Aluminiumoxid Al2O3 aus Aluminiumchlorid AlCl3, Kohlendioxid CO2 und Wasserstoff H2

Bei Titankarbid lassen sich Schichthärten über 3000 HV0,05 erreichen, bei Titannitrid bis 2300 HV0,05, bei Aluminiumoxid bis 2100 HV0,05. Damit diese Reaktionen ablaufen, sind Temperaturen von 800 bis 1100°C notwendig. Der Fertigungslauf für die Herstellung von CVD-beschichteten Werkzeugen und Bauteilen kann wie folgt beschrieben werden:
  1. Zerspanung
  2. Spannungsarmglühen (Vorbeugung von Verzug)
  3. Ersthärtung in Vakuum oder Schutzgas
  4. Fertigstellen der Werkzeuge (Schleifen, evtl. Polieren, R z < 1 µm) auf Korrekturmaße, um nach Beschichtung und Zweitwärmebehandlung die gewünschten Maße einzuhalten
  5. CVD-Beschichtung zwischen 800 und 1100°C, abhängig von Trägerwerkstoff und CVD-Schichtsystem
  6. Zweithärtung im Vakuum unter Berücksichtigung der Soll-Maße
  7. eventuelle Nachpolitur / Finish der CVD-Schicht
Mit dem CVD-Verfahren beschichtbare Trägerwerkstoffe sind Schnellarbeitsstähle, Kaltarbeitsstähle, Warmarbeitsstähle, Hartmetall-P-Sorten.

Vorteile von CVD-Schichten sind insbesondere ihre sehr gute Haftung aufgrund ihrer Verankerung durch Diffusion im Trägerwerkstoff. Durch das Einbringen der Beschichtungsstoffe in den CVD-Ofen als Gase ergibt sich eine sehr gute Konturenfolgung der Schicht auch auf komplizierten Geometrien. Anwendungsbereiche von CVD-Schichten sind insbesondere Werkzeuge für die Massivumformung, Großwerkzeuge für die Blechbearbeitung, Hartmetall-Wendeschneidplatten

6.2   PVD-Verfahren

Das Schlagwort PVD (Abkürzung für physical vapour deposition) bezeichnet alle Verfahren der physikalischen Abscheidung dünner Schichten über die Dampfphase. Dabei wird das Ausgangsmaterial für die Schichten über die physikalischen Vorgänge des Verdampfens (mit Lichtbogen (“Arc”) oder Elektronenstrahl) oder der Kathodenzerstäubung im Hochvakuum in die Dampfphase übergeführt und anschließend auf einem geeigneten Substrat wieder niedergeschlagen. Die dabei erzeugten Schichtdicken auf Werkzeugen und Bauteilen bewegen sich zwischen 1 µm und maximal 15 µm.

Verschleißschutzschichten auf Werkzeugen und Bauteilen werden mit allen drei oben erwähnten PVD-Verfahren auf computergesteuerten Beschichtungsanlagen abgeschieden. Es handelt sich dabei um nitridische Hartstoffschichten, d.h. Verbindungen aus den Übergangsmetallen Titan und Chrom mit Stickstoff. Erweiterte Eigenschaften liefern Schichten, die zusätzlich Aluminium und Kohlenstoff enthalten. Die bei den Lohnschichtern auf dem Markt erhältlichen Schichten basieren auf den Grundtypen der nitridischen Hartstoffschichten Titannitrid TiN, Titankarbonitrid TiCN, Titanaluminiumnitrid TiAlN und Chromnitrid CrN, die mit einigen ihrer Eigenschaften in der folgenden Tabelle zusammengestellt sind.

Schicht TiN TiCN TiAlN CrN
Farbe gold violett – dunkelgrau anthrazit metallisch
Schichtdicke µm 1 – 5 1 – 5 1 – 5 1 – 10
Mikrohärte HV 0,05 2.300 3.000 3.000 1.900
Oxidationstemperatur °C > 450 > 350 > 700 > 600

Sie zeichnen sich augrund der hohen kovalenten Bindungsanteile der Schichtatome durch hohe Schichthärte, gute Oxidationsbeständigkeit und chemisch träges Verhalten aus.

Der von den Verdampfern ausgehende, gerichtete Teilchenstrahl des metallischen Schichtbestandteils durchfliegt die Hochvakuumkammer, wobei der Ionenanteil durch das am Beschichtungsgut liegende negative Potential auf die Werkzeuge beschleunigt wird. Die aufwachsende Schicht ist dadurch einem Ionenbeschuss ausgesetzt, was zu einer Verdichtung und insbesondere zu einer verbesserten Haftung der Dünnschicht auf der Werkstückoberfläche führt. Durch den hohen Ionenanteil beim Lichtbogenverdampfen ist dieser Effekt gegenüber den anderen PVD-Verfahren besonders ausgeprägt.

Zur Erzeugung dieser Verbindungsschichten wird ein Reaktivgas durch die Hochvakuumkammer geleitet. TiN-Schichten erhält man so durch die Reaktion des Titandampfes mit Stickstoff im Plasma, für TiCN wird zusätzlich ein kohlenstoffhaltiges Gas eingesetzt. Wegen des gerichteten Stroms der Schichtteilchen müssen die Werkzeuge bzw. Bauteile während des Prozesses bewegt werden, um eine gleichmäßige Beschichtung zu erhalten.

Schichten zur Reibungsverminderung, wie Weichschichten auf Basis von Molybdändisulfid und Kohlenstoffschichten, werden vorzugsweise mit dem PVD-Verfahren Kathodenzerstäubung abgeschieden.
Geeignet zur Abscheidung der nitridischen Hartstoffschichten sind gehärtete Werkzeugstähle mit Anlasstemperaturen über 500°C (Schnellarbeitsstähle, Warmarbeitsstähle, ausgewählte Kaltarbeitsstähle, rostbeständige Stähle, Kunststoffformenstähle, da die Beschichtungstemperaturen im allgemeinen bei 450°C liegen. Des weiteren sind Hartmetalle beschichtungsfähig. Es ist zu beachten, dass es sich bei der PVD-Beschichtung um eine weitere Wärmebehandlung an einem fertig bearbeiteten Werkzeug handelt und es deshalb wichtig ist, dass das Werkzeug vorher beschichtungsgerecht wärmebehandelt wurde, um Veränderungen im Gefüge, der Härte und der Maße zu vermeiden. In Spezialfällen und/oder für Spezialschichten sind auch PVD-Beschichtungsprozesse unterhalb von 200°C möglich.
Die PVD-Beschichtung erfolgt als letzter Veredelungsschritt auf dem fertig bearbeiteten Werkzeug oder Bauteil ohne Veränderung der Maßhaltigkeit aufgrund der dünnen Schichtdicken. Durch die besonderen Eigenschaften der Schichten erhält man eine deutliche Steigerung des Verschleißwiderstandes bzw. eine Reibungsminderung. Dadurch ergibt sich ein breites Anwendungsspektrum auf Werkzeugen zur Zerspanung, Umformung, Druckgießen, Werkzeugen zur Kunststoffverarbeitung und vielen Bauteilen.

7.    Innovative Wärmebehandlungsverfahren
7.1 Vakuumwärmebehandlung

Die Vakuumtechnik findet in vielen Anwendungsbereichen der Wärmebehandlung von Metallen, so beim, Härten, Glühen, Anlassen, Sintern von Metallen oder Keramik Löten, Lösungsglühen von rostfreien Stählen, Aushärten, Entgasen von Sonderlegierungen, etc.
Die Vorteile der Vakuumwärmebehandlung sind bezogen auf die Wärmebehandlung und das Härten von Metallen im Wesentlichen:
  • optimale Härte
  • blanke Oberflächen
  • oxidations- und entkohlungsfreie Randzonen
  • Verzugsarmut, auch bei Werkstücken mit komplexen Geometrien
  • Qualitätskonstanz
  • Reproduzierbarkeit
  • einsetzbar für eine breite Werkstoffpalette
Zum Einsatz kommen eine Vielzahl von Ein- und Mehrkammerofentypen in horizontaler und vertikaler Bauart. Vakuumöfen sind generell flexibel im Design, energieeffizient oder optional erweiterbar und in vielen Bereichen dezentral aber auch aufgrund der „sauberen“ Betriebsweise im Bereich der „lean“-Produktion im Einsatz.

Die wesentlichen Anwendungen der Vakuumwärmebehandlung sind
  • Werkzeug- und Formenbauer
  • Luft- und Raumfahrtindustrie
  • Automobilindustrie
  • Lohnhärtereien
  • Hersteller von PM-Sinterprodukten einschließlich MIM-Technologie
  • Industrielle Oberflächenbehandlung
  • Medizinindustrie und chirurgische Geräte
  • Lebensmittelindustrie
  • Solartechnik
  • Universitäten, Laboratorien und Forschungszentren
  • Münz- und Medaillenhersteller Lohnwärmebehandler
  • Stahllieferanten
  • Hersteller von Turbinen für Industrieanlagen sowie für die Luft- und Raumfahrt
  • Hersteller von Wärmetauschern
  • Hersteller von Schneidwerkzeugen

7.1.1 Anwendungen

Die industrielle Anwendung der Vakuumwärmebehandlung begann bereits in den 50er Jahren in der Luftfahrttindustrie und hat mittlerweile in den wesentlichen Industriebereichen Einzug gefunden. Insbesondere das Glühen von hitzebeständigen Werkstoffen, z.B. Mo, W, Titan und Ti-Legierungen oder auch das Hochtemperaturlöten von hochlegierten Werkstoffen wie Ni-Fe-Legierungen, Ni-Ti-Legierungen, Ti-Al-Co-Legierungen sind ohne Vakuumofentechnik in der erforderlichen Qualität nicht denkbar.
Die Vakuumwärmebehandlung findet in der Regel im Druckbereich von von 10-3 mbar bis 10-6 mbar statt. Die erforderlichen „Dichtheiten“ der Ofenanlagen oder auch Leckraten genannt liegen bei 10-3 mbar l/s. Restgasatmosphären bestehen aus geringen Mengen an oxidierenden oder aufstickenden Gasen wie z.B. H2O(ca.80%), N2  (ca.15%), O2 und CO (ca.5%). Der Temperaturbereich für Vakuumwärmebehandlungen liegt in der Regel bei 150-1300°C (bis max. 3000°C) mit einer engen Streuung im Ofenraum und der Charge (Temperaturverteilung im Arbeitsraum +- 5°C). Die Verwendung von Gasen zum Abschrecken ermöglicht das Härten von Metallen in diesen Öfen (Abschreckdruck: 1 – 10 bar (max.25 bar)). Standard Vakuumofen sind mit Grafitauskleidung/-beheizung und integriertem Abschrecksystem ausgestattet.
Die Vakuumwärmebehandlung findet Anwendung in den folgenden Werkstoffgruppen:
  • Pulvermetallurgische Werkstoffe (PM)
  • Spritzgegossene Werkstoffe (PIM)
  • Technische Keramik (SiC, Al2O3, AlN, B4C), Konstruktionskeramik
  • Halbleiterkeramik/Funktionskeramik (z.B. Piezokeramik „PZT“)
  • Dentalkeramik
  • Hartstoffe (WC-Co, TiC, TiN, TiCN, TiB)
  • Stähle
  • Ti und Ti-Legierungen, Sonderlegierungen
  • Keramische/metallische Verbundwerkstoffe (CMC/MMC)
  • Hochkovalente Werkstoffsysteme (Si-C; Si-C-N; Si-B-C-N; Si-C-O etc.)
  • Graphit, Kohlenstoff
  • Gläser (z.B. Quarz, CaF2 etc.)
  • Dünnschicht Si-Solarzellen

7.1.2 Verfahren
7.1.2.1       Vakuumhärten und –glühen

Das Vakuumhärten hat in den letzten 20 Jahren eine immer größere Bedeutung erlangt. Es ist umweltfreundlich, sauber und durch moderne Programmsteuerungen, die volle Reproduzierbarkeit sichern, auch wirtschaftlich. Das behandelte Werkstück hat in jedem Fall eine metallisch blanke Oberfläche. Hinsichtlich Maßänderung und Verzug gibt es kein vergleichbares Verfahren. Für die wesentlichen Anwendungsfälle existieren vakuumhärtbare Stähle.

Tab. 1 :          Härtbare Stahlqualitäten (Quelle Werz)

Unter Vakuumhärten versteht man generell die Erwärmung in einem Vakuumkessel, dabei wird durch Abpumpen der Luft ein Vakuum von bis zu 10–3 mbar und mehr erzeugt. Anschließend wird durch elektrisch beheizte Graphitstäbe die Charge stufenweise bis auf Härtetemperatur erwärmt. Das Abschrecken der Teile erfolgt durch Einblasen von gasförmigem Stickstoff bis zu einem Druck von in der Regel 6 – 10 bar.

Bei jeder Erwärmung reagiert der vorhandene Luftsauerstoff mit der Oberfläche des Werkstückes (Oxidation). Diese Reaktion ist umso heftiger, je höher die Temperatur ist. Bei entsprechend langer Verweilzeit auf hohen Temperaturen kommt es zu einer Verzunderung (ab ca. 600°C) und zur Ent- bzw. Abkohlung der Oberfläche (ab ca. 780°C), die sich beim anschließenden Härten als sogenannte “Weichhaut” darstellt. Aus diesem Grund ist bei jeder Erwärmung ab ca. 400°C eine Schutzgasatmosphäre erforderlich. Bei höheren Temperaturen (üblicher Temperaturbereich beim Härten: 850 – 1200°C) bietet das Vakuum Schutz vor Oxidation und Entkohlung. Selbst bei Härtetemperaturen von 1300°C sind die Werkstücke nach dem Härten absolut blank.

7.1.2.2       Vakuumlöten

Löten ist ein thermisches Verfahren zum stoffschlüssigen Fügen von Werkstoffen, wobei eine flüssige Phase durch Schmelzen eines Lotes (Schmelzlöten) oder durch Diffusion an den Grenzflächen (Diffusionslöten) entsteht. Löten gehört zu den wichtigen elektrischen Verbindungstechniken. Damit der Diffusionsprozess stattfinden kann, müssen alle Metalloberflächen blank und somit frei von Oxiden und Verschmutzungen sein. In der Großserienfertigung wird aus Kostengründen ohne Flussmittel unter Vakuum oder Schutzgas gelötet. Das Vakuum bzw. Schutzgas verhindert die Oxidation; Schutzgas kann zusätzlich auch reduzierend auf vorhandene Oxidschichten wirken.
Das Vakuumlöten macht es möglich, Vorzüge der Wärmebehandlung im Vakuum zu nutzen: Flexibilität des Chargenofens, Integrierbarkeit in die Produktionslinie und Schutz der Oberflächen. Im Vergleich zu den traditionellen und atmosphärischen Lötverfahren bieten sich Vorteile bei der Verbesserung der Benetzbarkeit und der kapillaren Penetration/Eindringung. Angesichts des wachsenden Bedarfs an Lötverbindungen höchster Qualität für kritische Anwendungen wenden sich Industrien von den klassischen Verfahren der Verbindung ab und orientieren sich zunehmend hin zum Vakuumlöten.
Das Verfahren Flussmittelfreies Hochtemperaturlöten im Grob-, Fein- oder Hochvakuum wird bei thermisch und mechanisch höher belasteten Verbindungen durchgeführt. Hauptsächlich werden Lote auf Nickel-, Kupfer- oder Edelmetallbasis als kristalline Folien, Plattierungen, Pulver oder Pasten eingesetzt.
Vakuumlötöfen müssen daher für die Arbeit mit Loten auf Kupfer- oder Nickelbasis ausgelegt sein, die einen hohen Schmelzpunkt aufweisen. Je nach Anwendung kommen Isolierungen aus Faserisolierungen oder Metallstrahlblech-Isolierung, bzw. Beheizungen aus. Grafit- oder Metallwiderständen zum Einsatz.
Auch das Löten von Aluminium (Kühler im Automobilbau) findet zunehmend Verwendung und stellt für den Ofenbau eine anspruchsvolle Anwendung dar, da diese bei Temperaturen von ca. 600 °C eine hohe Temperaturgleichmäßigkeit von ± 3 °C voraussetzt. Dieses ist erforderlich, da die Schmelzpunkte der Basislegierung und des Lotes nahe beieinander liegen.
Vorteile des Vakuumlötens:
  • Definiert einstellbare Ofenatmosphäre
  • Ausgezeichnete Temperaturgleichmäßigkeit
  • Schnelle Temperaturregelung
  • Umweltfreundliche, flussmittelfreie Lötung
  • keine Nachbehandlung der Teile, kein Entsorgen von Flussmittelrückständen,
  • keine Beanspruchung des Ofeninnenraums durch Flussmittel
  • Beeinflussung der Korrosionsbeständigkeit durch Flussmitteleinschlüsse
  • Hohe Reinheit der Lötung
  • Hohe Verbindungsfestigkeit im Bereich des Grundwerkstoffs
Der Standard Vakuum-Lötofen weist in der Regel die folgenden Spezifikationen auf :
  • Chargenabmessungen bis zu 1.200 x 1.500 x 1.200 mm (B x L x H)
  • Stückgewichte bis 3 t
  • Temperaturgleichmäßigkeit besser ± 5 K
  • Arbeitsvakuum von 10-2 bis 10-6 mbar
  • Grafit- oder metallische Ausführung der Heizkammer
  • Drucklose Gehäuse in Normal- oder Edelstahl
  • Arbeitstemperatur ca. 1.200 °C
7.1.2.3       Niederdruckaufkohlung

Beim Vakuumaufkohlen werden die aufzukohlenden Teile aufgrund des hohen Kohlenstoffübergangs durch einen Wechsel aus Aufkohlungs- und Diffusionszyklen gesteuert. In den Aufkohlungsphasen werden reine Kohlenwasserstoffe wie Methan, Propan oder Acetylen als Aufkohlungsatmosphäre bei Drücken von 2 bis 25 Millibar verwendet. Während der Diffusionsphase wird kein Kohlenstoffspender der Ofenatmosphäre zugeführt: Typischerweise wird der Druck mittels Vakuumpumpen abgesenkt oder mit Inertgasen bei geringen Drücken gespült.
Seit mehr als 25 Jahren stellt die Niederdruckaufkohlung eine interessante Alternative zu den herkömmlichen Verfahren der Aufkohlung dar. Ihre Verwendung, die lange Zeit durch technische und wirtschaftliche Probleme gebremst wurde, hat sich im Laufe der letzten 10 Jahre etabliert und eine Verbesserungen der Homogenität bei Vermeidung von Oxidation ergeben.
Die Vorteile der Niederdruckaufkohlung sind:
  • hohe Kohlenstoff-Übertragungsrate
  • höchste Gleichmäßigkeit der Aufkohlung auch bei schwierigen Geometrien
  • hohe Wirtschaftlichkeit durch geringe Gasverbräuche
  • kurze Behandlungszyklen
  • hohe Umweltverträglichkeit

Diverse Anlagenhersteller sind im Markt vertreten und bieten Ihre speziellen Verfahrenstechniken an. Die Abschreckung mit Überdruckgas, unabhängig vom Druck und von der Art des Gases, weist grundsätzlich eine beschränkte Kapazität auf. Vakuumöfen mit Öl- und Gasabschreckung weisen eine erweiterte Bandbreite von Stahlsorten auf, angefangen von den klassischen Einsatzstählen über rostfreie Stahlsorten bis hin zu den legierten Stahlsorten.

7.1.2.4       Vakuum-Ölhärten

Öl ist das bevorzugte Härtemedium für niedrig legierte Baustähle, Einsatzstähle, Walzstähle oder auch für bestimmte Kaltarbeitsstähle. Diese Stähle benötigen höhere Abkühlgeschwindigkeiten als die Stahlsorten, die normalerweise mit Überdruck-Gasabschreckung gekühlt werden, wie z.B. Werkzeugstahl, nichtrostender Stahl, Superlegierungen, etc.

Abb. 2:          Vakuumofen mit Ölabschreckung, Ø 900 x H 1600 mm, 1000 kg Charge, Vakuum < 5.10-3 mbar, max. Temperatur: 1250°C, Homogenität +/- 5°C. (Quelle ECM)

7.1.2.5       Tiefkühlen

Die Tiefkühlbehandlung bietet sich vor allem für die Behandlung von rostfreiem Stahl, Schnellarbeitsstahl, Werkzeugstahl und Kaltarbeitsstahl an und kommt zwischen Härte- und Anlasszyklus zum Einsatz. Das Tiefkühlen reduziert den Restaustenitgehalt und erhöht zugleich die Härte und Abmessungsstabilität der behandelten Teile. Wirtschaftlich ist dieses Verfahren, da die Dauer der Vergütezyklen reduziert wird.
Das Tiefkühlen beruht auf der Einspeisung von flüssigem Stickstoff mit – 185° C. Bei der Einspeisung in die Heizkammer geht der Stickstoff von der Flüssigphase in die Gasphase über. Die Verdunstung führt zu einer erheblichen Zunahme (x 700) des Volumens des konstant eingeführten Stickstoffs, der mit den zu behandelnden Teilen in Kontakt kommt. In Abhängigkeit von den besonderen Anforderungen und den verschiedenen Einsatzgebieten, variieren die erforderlichen Temperaturen im Allgemeinen zwischen -60° C und -150° C.
Eine weitere Möglichkeit des Tiefkühlens besteht, indem flüssiger Stickstoff durch einen im Vakuumofen eingebauten Wärmetauscher geleitet wird. Auf Grund der Erwärmung wird der Stickstoff gasförmig und ändert sein Volumen und Druck. Der aus dem Wärmetauscher austretende Stickstoff wird zur weiteren Verwendung in Pufferbehälter gespeichert. Der Vakuumofen wird mit einer Stickstoffatmosphäre versehen. Diese Atmosphäre wird über einen internen Umwälzlüfter immer wieder über den Wärmetauscher, der den flüssigen Stickstoff vergast, geleitet. Hat die Charge die gewünschte Temperatur erreicht, wird der Zustrom flüssigen Stickstoffs unterbunden. Der restliche Stickstoff im Wärmetauscher kann weiterhin zu den Pufferbehältern expandieren. Ist der max. Druck in den Pufferbehältern erreicht, wird der überschüssige Stickstoff in die Umgebungsluft geleitet. Sollte die Stickstoffmenge in den Pufferbehältern nicht reichen, kann über eine separate Stickstoffleitung nachgefüllt werden.

7.1.2.6       Lösungs- oder Niederdrucknitrierung

Analog der Niederdruckaufkohlung bietet die Lösungs- oder Niederdrucknitrierung eine Reihe von Vorteilen.
Prozessbedingt können eine Vielfalt von Chargentypen behandelt werden: Schüttgutteile, kompakte oder scharfe Teile, Teile mit Sacklöchern, Hohlräumen, verdeckten Flächen u.a.

7.1.2.7     Sintern

Sintern ist ein urformendes Fertigungsverfahren für Formteile in einem Vakuumofen. Es gestattet die Herstellung von Halbzeugen und Fertigteilen unter Umgehung der flüssigen Phase. Beim Sintern werden Pulvermassen zunächst so geformt, dass wenigstens ein minimaler Zusammenhalt der Pulverpartikel gegeben ist. Deshalb darf z.B. bei der Pulvermetallurgie die Korngröße 0,6 mm nicht übersteigen.
Der vorgepresste Grünling wird im Anschluss durch Wärmebehandlung unterhalb der Schmelztemperatur verdichtet und ausgehärtet. Der Sintervorgang läuft in drei Stadien ab, während deren sich die Porosität und das Volumen des Grünlings deutlich verringert. Im ersten Stadium erfolgt lediglich eine Verdichtung des Grünlings, wohingegen sich im zweiten Stadium die offene Porosität deutlich verringert. Die Festigkeit der Sinterkörper beruht auf den im dritten Stadium gebildeten Sinterhälsen, die durch Oberflächendiffusion zwischen den Pulverpartikeln entstehen. In manchen Fällen erfolgt nach dem letzten Vorgang noch ein Richten des Werkstückes, meistens wenn eine sehr hohe Maßgenauigkeit erforderlich ist. Beim Richten wird das quasi fertige Werkstück noch einmal unter hohem Druck in eine Form gepresst und somit ist eine hohe Maßhaltigkeit oder z.B. die Einhaltung der technischen Toleranzen (Form- und Lagetoleranz) möglich.
Vakuumsintern von z.B. rostfreien Stahle wird bei Temperaturen von etwa 1250°C ausgeführt. MIM (Metal Injection Molding) – Teile werden bei Temperaturen bis zu 1400°C – 1.600°C entweder in Grafit- oder Ganzmetallvakuumöfen (Molybdän / Wolfram) gesintert. Das sogenannte „Hippen“ findet bei Temperaturen bis zu 1600°C und Drücken bis zu 100bar gesintert.

Abb. 3:          MIM-Sinter-Teile

Technische Keramik (SiC, AlN, etc) wird in Vakuumöfen bei Betriebstemperaturen bis zu 2.500°C gesintert.

Abb. 4 :          Keramik-Sinterteile

7.2.  Anwendungen
7.2.1 Wärmebehandlung von Werkzeugen

Ein wesentlicher Anwendungsbereich der Vakuumhärtetechnik ist die Behandlung von Werkzeugen aus Werkzeugstählen nach DIN 17350, aus mittel- bis hochlegierten Sonderstählen, über den Bereich der rost- und säurebeständigen Qualitäten bis hin zu den pulvermetallurgischen Varianten.

Abb. 5:          Wärmebehandlung von Werkzeugen, Formen und Gesenken    (Quelle SWF)

Dabei wird in der Regel in einem Verfahrensschritt gehärtet und angelassen (zum Beispiel bei einer Sekundärwärmebehandlung von Werkzeugen aus 1.2379; Voraussetzung ist eine Chargenregulierung über Schleppelemente). Zwischengeschaltete programmgesteuerte Tiefkühloperationen bei bis zu -196°C, unmittelbar nach dem Härten und vor dem zwei- bis dreimaligen Anlassen, sind vor allem bei stark zu Restaustenit neigenden hochlegierten Stählen, aber auch zur Maßstabilisierung von passgenauen Werkzeugen erforderlich.

7.2.2 Luft- und Raumfahrt

Die Luftfahrttechnik ist eine der wesentlichen Anwender der Vakuumwärmebehandlung, die entweder als Subunternehmer oder Ausrüster, die anspruchsvollen Normen und technischen Bedingungen der AMS (NADCAP-Spezifikationen) unterliegen, die von der SAE Aerospace herausgegeben werden.
Sie erfordert die Gewähr einer ständigen Kontrolle der Produktionswerkzeuge und der Systematisierung einer lückenlosen Rückverfolgbarkeit. Die Überarbeitung der Norm AMS2750-C, die im September 2005 offiziell mit dem Index D herausgegeben wurde, legt die Messlatte noch etwas höher, indem sie die Toleranzen und Unsicherheiten bei der Eichung und Kalibrierung von Temperaturfühlern und pyrometrischen Geräten noch enger zieht. Aktuell findet hierzu vor allem auch Zusammenhang mit der CQI9 in Deutschland (IHT) eine für die Praxis nutzbare „Auslagung“ unter Federführung der Automobilisten Ford und Bosch statt.

7.2.3 Automobilindustrie

Da das Härten im Vakuumofen besonders geeignet für stark verzugsempfindliche Präzisionsbauteile sowie Formbauteile und Werkzeuge ist und eine sehr exakte Temperatursteuerung mit Dokumentation ermöglicht, werden Vakuumöfen sehr breit im Bereich der Automobilindustrie eingesetzt.

7.2.4 Lohnhärtereien

Die große Bandbreite der Anwendungen prädestiniert den Vakuumofen für den flexiblen Einsatz in der Lohnhärterei.

7.2.5 Solartechnik/Photovoltaik

Seit 2001 ist die Photovoltaik Branche jährlich im Mittel mit 46 % gestiegen (Quelle: AMG Geschäftsbericht) und bietet daher für den Vakuumofenbau ein interessantes Potential. Angesichts der Endlichkeit der fossilen Brennstoffvorkommen und des bei ihrer Nutzung entstehenden Treibhausgase (CO2) wird eine grundlegende Änderung der Energieerzeugung in nächster Zukunft unabdingbar. Regenerative Energien, wie zum Beispiel Sonnenenergie sind unerschöpflich und ökologisch bedenkenlos.
Die Photovoltaik nutzt den Photoeffekt, um mittels kristalliner Solarzellen aus der Energie der Photonen des Sonnenlichts direkt elektrischen Strom zu erzeugen. Die Vakuumofentechnik bietet mit ihren Ausführungen im Bereich der Kristallzuchttechnologie zur Herstellung hochwertiger Kristalle, aus denen Solarwafer hergestellt werden, Lösungen an.
Vakuumöfen werden hier zur Kristallzüchtung, insbesondere zur Züchtung von mono- und polykristallinen Siliziumkristallen eingesetzt.

Abb.6:                       Herstellung polykristallinem Silizium (Quelle ECM)
Abb. 7:          Tiegel mit polykristallinem Silizium


7.2.6 Halbleitertechnik, Optoelektronik

Ein weiterer Zukunftsmarkt für die ist die Halbleiterindustrie. Verfahren zur schnellen und breitbandigen Nachrichtenübermittlung steigen ständig an Bedeutung. Für optoelektronische und Hochfrequenzanwendungen setzt man zunehmend Verbindungshalbleiter (Compound Semiconductor) ein. Die hierfür verwendeten Materialien reagieren in der Wechselwirkung mit Licht wesentlich effektiver. Zudem besitzen sie eine größere Elektronenbeweglichkeit, was den Bau von Transistoren mit höheren Frequenzen ermöglicht. Damit sind diese Verbindungshalbleiter prädestiniert für den Einsatz in der Mobilfunkkommunikation, und für Glasfasernetze. Darüber hinaus werden die Verbindungshalbleiter für optoelektronische Anwendungen wie LEDs neue Märkte erobern.

7.2.7 Medizintechnik

Die Zuwachsraten im Bereich der Medizintechnik waren in den letzten Jahren sehr vielversprechend. Das weltweite Marktvolumen für Medizintechnik ist um schätzungsweise knapp 10 % pro Jahr gestiegen und erreichte damit weit überdurchschnittliche Steigerungsraten. Trotz vielfältiger staatlicher Regulierungen überall auf der Welt liegt eine so hohe Innovationsdynamik vor, wie sie von kaum einer anderen Branche erreicht wird. Auch für die Zukunft sind die Rahmenbedingungen günstig, weil die Weltbevölkerung beständig wächst, in den Schwellen- und Entwicklungsländern der Wohlstand zunimmt und in den Industrieländern ein kontinuierlicher Alterungsprozess der Bevölkerung festzustellen ist.
Im Bereich der Medizintechnik findet die Vakuuumwärmebehandlung im Glühen und Härten der wesentlichen korrosionsbeständigen Edelstähle (austenitisch; martensitisch) statt. Darüberhinaus werden Titanwerkstoffe weich-, rekristallisations- oder spannungsarmgeglüht.

7.2.8 Elektromobilität

In Zusammenhang mit der Elektromobilität wird seit vielen Jahren die Festoxidbrennstoffzelle (SOFC), eine Hochtemperatur-Brennstoffzelle, die bei einer Betriebstemperatur von 650–1000 C betrieben wird, genannt. Einen „Durchbruch“ in der Serien hat es bislang noch nicht gegeben. Aktuell gelten Brennstoffzellen aber als eine der aussichtsreichsten Techniken für die Autos von morgen. Peugeot beispielsweise plant die Serieneinführung im Jahr 2015. Derzeit ist die Lebensdauer der Zellen jedoch noch unbefriedigend: Sie reicht für maximal 2.000 Stunden aus, was etwa 100.000 Kilometer entspricht. Das Ziel der Automobilindustrie liegt bei 5.000 Stunden.

Werkstoff- und verfahrenstechnisch ist bei der Produktion der Brennstoffzelle vor allem der Sinterprozess des Elektrolyten interessant, einem Zelltyp bestehend aus keramischem Zirkoniumdioxid, der in der Lage ist, Sauerstoffionen zu leiten, für Elektronen jedoch isolierend wirkt. Die Kathode ist ebenfalls aus einem keramischen Werkstoff (strontiumdotiertes Lanthanmanganat) gefertigt, der für Ionen und für Elektronen leitfähig ist. Die Anode wird aus Nickel mit yttriumdotierten Zirkonoxid gefertigt, der ebenfalls Ionen und Elektronen leitet.

In breiter Serienfertigung ist zu erwarten, dass diese keramischen Komponenten auf dem Wege des Pulver-Spritzguss (Powder Injection Moulding (PIM) mit anschließendem Sinterprozess unter „oxidierender oder inerter“ Atmosphäre bei Temperaturen bis etwa 2000°C erzeugt werden. Ofentechnisch kommen aufgrund der extrem hohen Temperaturen „klassische“ Öfen mit Kanthal-Super-Elementen nur bis 1800°C zum Einsatz. Darüberhinausgehende Sintertemperaturen können nur in Vakuumöfen durchgeführt werden.

7.3    Anlagentechnik

Moderne Vakuumöfen zeichnen sich durch schnelle und homogene Abschreckgeschwindigkeit aus, durch Erfüllung der Vorgaben der NADCA Empfehlung 207-97, d.h. hohe  Temperaturhomogenität von +/- 3 K und das Zertifikat nach DIN 65570 für Luft- und Raumfahrt.

Abb. 8:          Standard-Vakuumofen (Quelle Rübig)
Vakuumöfen werden für Temperaturen bis 3000°C geliefert.
Abb. 9:          Vakuumhärteofen (Quelle ECM)
Abb. 10:        Modulares Vakuumhärtesystem ICBP (Quelle ECM)
Ein in den letzten Jahren erfolgreicher Markt lag in der Herstellung polykristallinen Silizium wird durch ECM.
Abb. 11:        Ofenanlage ECM zur Herstellung von polykristallinem Silizium (Quelle ECM)

Einkammer-Vakuumöfen sind in der Regel modular und vergleichsweise einfach aufgebaut, da die Bauteile keiner weiteren Chargierung innerhalb der Ofenanlage unterzogen werden. Für Mehrkammer-Vakuumanlagen oder verketteten Annlagensystemen gilt diese Aussage selbstverständlich nicht. Die Chargierung in Ein- oder Zweikammervakuumöfen erfolgt in der Regel manuell.
Bei Vakuum-Wärmebehandlungsprozessen wird nicht nur das Wärmebehandlungsgut mit den zugehörigen Chargiermitteln, sondern auch die Heizelemente und/oder die komplette Heizkammer der Prozeßumgebung ausgesetzt und auf die erforderliche Prozesstemperatur aufgeheizt (Kaltwandöfen). Die Auslegung der Heizkammer hinsichtlich verwendeter Materialien spielt daher eine entscheidende Rolle.
Beim Aufheizprozess in graphitisolierten Vakuum-Härteöfen wird ein beträchtlicher Bestandteil der zugeführten Energie und der Gas-Atmosphäre (bzw. Vakuum) in die „Tot“ bzw. nicht von der Charge eingenommenen Bereiche der Heiz- bzw. Vakuumkammer geleitet. Das Volumen insbesondere der Vakuumkammer sollte daher minimiert werden, um die Energie- und Abschreckeffizienz zu maximieren, d.h. während der Temperaturhaltephasen muss zugeführte elektrische Heizenergie Leerverluste ausgleichen. Bei anschließender Überdruckgasabschreckung wird wiederum mit hohem energetischen Aufwand die sowohl in der Charge als auch die in der Heizkammer gespeicherte Wärmeenergie abgebaut.
Als Isolationswerkstoff der Heizkammer von horizontalen Vakuum-Kammeröfen wird (abgesehen von Ganzmetallkammern für hochreine Vakuumprozesse) vornehmlich Graphitmaterial wegen der hohen Temperaturbeständigkeit und Formstabilität eingesetzt. Leerverluste der Heizkammer werden durch einen konstruktiv möglichst dichten Aufbau reduziert. Ein Isolationsaufbau mit verstärktem Querschnitt der Graphitfilzisolation erzielt eine zusätzliche Leerverlustminimierung während der Temperaturhaltephasen.
Der Aufbau einer Heizkammer, die in der Regel als „Modul“ ohne größeren montagetechnischen Aufwand in der Vakuumkammer installiert wird, wird in kubischer und zylindrischer Bauweise unterschieden. In Europa hat sich vor allem die kubische Heizkammervariante durchgesetzt.
Der Aufbau der Heizkammer lässt sich vor im Aufbau des Chargenherds, der Anordnung der Luken zum Abdichten und Abschrecken und der Türabdichtung (Labyrinth) unterscheiden. Hier liegen konstruktionsbedingt auch die entsprechenden Einsparmöglichkeiten.
Außerdem ist die elektrische Beaufschlagung und thermische Oberflächenbelastung ein entscheidendes Kriterium für die kostenreduzierte Auslegung der Vakuumheizkammer.
Im Folgenden sind die wesentlichen Heizkammeraufbauten der Hersteller dargestellt.

Abb. 12:        Heizkammer (Quelle Rübig)

Zylindrische aufgebaute Heizkammern resultieren vor allem auch noch aus der ursprünglichen Konstruktionen. Die Heizelemente sind entweder als „gebogene“ Graphitplatten ausgeführt oder aber als „gerade“ Graphitplatten in einer „vieleckigen“ Heizkammer platziert. Der grundsätzliche Vorteil dieser Konstruktion liegt im vergleichsweise großen Heizkammervolumen bezogen auf die äußere Vakuumkammer des Ofens.

Der Aufbau von „Ganzmetall-Heizkammern“ entspricht im Wesentlichen der von Graphit-Heizkammern, wobei die Isolierung über „Strahlbleche“ reflektieren erfolgt und nicht isolierend, wie dies bei Graphitisolierungen der Fall ist.

Die Gasabschreckeinrichtung im Vakuumofen hat die Aufgabe, die Bauteile nach der Austenitisierung oder Aufkohlung durchgeführten Gefügeumwandlung schnell abzuschrecken. Um eine möglichst gleichmäßige und verzugsminimierte Abschreckung sicherzustellen, kann der Gasstrom über spezielle Gasleiteinrichtungen über den gesamten, der Charge zur Verfügung stehendem Nutzraum, verteilt. Die hierfür in die graphitisolierte Heizkammer integrierten Gasleiteinrichtungen müssen dabei zum einen optimale Strömungsverhältnisse sicherstellen, zum anderen aber auch den Erfordernissen an geringer Eigenmasse bei gleichzeitig hohen Standzeiten gerecht werden.

Literatur:

[1]        IHT, Technische Datenblätter
_________________________________________________________________________________

Interesse an diesen Beiträgen?